Bundesverfassungsgericht zur Teilnahme eines Zahnarzte an einem Internetpreisportal

von Lieb Rechtsanwälte

1. Es ist nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG zu vereinbaren, allein das Fehlen einer persönlichen Untersuchung des Patienten vor der Abgabe der Kostenschätzung als Verletzung einer Berufspflicht zu beurteilen. Gründe des Gemeinwohls, nach denen eine solche Untersuchung im konkreten Fall geboten gewesen wäre, sind nicht zu erkennen.

2. Allein die Wahl des Mediums Internet erlaubt es nicht, die Grenzen zulässiger Außendarstellung von freiberuflich Tätigen enger zu ziehen.

 3. Es ist nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, eine im Internet abgegebene Kostenschätzung generell als berufsrechtswidrige Werbung im Sinne von § 21 Abs. 1 BO zu qualifizieren.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.12.2010 – 1 BvR 1287/08

Zum Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein Zahnarzt, wandte sich gegen einen berufsgerichtlichen Verweis, der ihm wegen der Teilnahme an einem dem Preisvergleich dienenden Internetportal erteilt wurde. Im besagten Portal können Nutzer nach vorheriger Registrierung auf der Grundlage eines von ihrem behandelnden Zahnarzt erstellten Heil- und Kostenplans oder Kostenvoranschlags anonym angeben, um welche Zahnbehandlung sie in welcher Region nachsuchen. Hierbei fällt eine Gebühr von € 2,50 bis € 7,50 an. Während der Laufzeit der Suche können registrierte Zahnärzte auf der Basis der Nutzerangaben unverbindliche Kostenschätzungen für die Durchführung der Behandlung abgeben. Nach Laufzeitende werden dem Nutzer die fünf preiswertesten Kostenschätzungen bekannt gegeben. Entscheidet er sich für einen bestimmten Zahnarzt, erhalten beide Seiten wechselseitig die Kontaktdaten. Der Nutzer kann den Zahnarzt dann aufsuchen und sich untersuchen lassen, muss dies aber nicht. Kommt es zur Untersuchung, so erstellt der Zahnarzt ein verbindliches Angebot in Form eines Heil- und Kostenplans oder eines Kostenvoranschlags für die begehrte Behandlung, das sich mit seiner Kostenschätzung decken oder davon abweichen kann. Auf der Grundlage des Angebots trifft der Nutzer die Entscheidung, ob er die Behandlung bei diesem Zahnarzt durchführen lassen möchte. Ist der Behandlungsvertrag zustande gekommen, so zahlt der Zahnarzt an den Portalbetreiber eine Gebühr, die in der Regel 20 % des vereinbarten Honorars beträgt.

Das Berufsgericht für Zahnärzte erteilte dem Beschwerdeführer einen Verweis. Die Nutzung des Internetportals sei berufsrechtswidrig gewesen. Der Beschwerdeführer habe gegen die sich aus der Berufsordnung ergebende Pflicht, angemessene Honorarforderungen zu stellen, verstoßen. Weiter liege ein Verstoß gegen die Pflicht, sich kollegial zu verhalten, vor. Das abgegebene Angebot sei nicht seriös gewesen. Daraus lasse sich schließen, dass es dem Beschwerdeführer nur darum gegangen sei, seinen Kollegen so deutlich zu unterbieten, dass der Nutzer in seine Praxis gelockt werde. Das Landesberufungsgericht für Zahnärzte verwarf die Berufung des Beschwerdeführers unter Hinweis auf die Berufsordnung, wonach der Zahnarzt ohne persönliche Untersuchung keine Kostenschätzung abgeben dürfe.

Entscheidung:

Das Bundesverfassungsgericht sah dies anders. Die Teilnahme eines Zahnarztes an einem der Vertragsanbahnung dienenden Internetportal sei nicht geeignet, um einen Verstoß gegen die in § 2 Abs. 1 Satz 2 MBO-Z verankerte Pflicht zur Wahrung der persönlichen Arzt-Patienten-Beziehung zu begründen.

Es ist, so das Bundesverfassungsgericht, nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG zu vereinbaren, dass das Gericht das Fehlen einer persönlichen Untersuchung des Patienten vor der Abgabe der Kostenschätzung als Verletzung einer Berufspflicht beurteilt. Denn es sind keine Gründe des Gemeinwohls zu erkennen, nach denen eine solche Untersuchung im konkreten Fall geboten gewesen wäre.

Die persönliche Beziehung zwischen Zahnarzt und Patient, so das Bundesverfassungsgericht, ist kein Selbstzweck. Sie dient dazu, für den Patienten eine sachgerechte, seine Interessen wahrende Behandlung sicherzustellen. Dagegen handelt es sich nicht um ein Erfordernis, das den Zahnarzt vor Konkurrenz durch Kollegen schützen soll. Die Internetplattform erleichtert für den Nutzer nur den Preisvergleich und die Kontaktanbahnung. Beides sind Aspekte, die dem Patientenschutz nicht entgegenstehen und die daher nicht geeignet sind, eine Beschränkung der Berufsfreiheit zu rechtfertigen.

Die Wahl des Mediums Internet erlaubt es schon im Grundsatz nicht, die Grenzen erlaubter Außendarstellung von freiberuflich Tätigen enger zu ziehen. Auch mit der Vorgabe ist die strikte Forderung nach einer persönlichen Untersuchung als Voraussetzung für die Abgabe einer Kostenschätzung, durch die die Nutzung des Mediums für den Bereich des Kostenvergleichs praktisch ausscheiden würde, nicht zu vereinbaren.

Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass eine im Internet abgegebene Kostenschätzung nicht generell als berufsrechtswidrige Werbung im Sinne von § 21 Abs. 1 BO zu qualifizieren ist.

Anmerkung:

Die Nutzung eines Internetpreisportals dient primär einer möglichst kostengünstigen Behandlung und damit dem Interesse des Patienten. Nimmt ein Zahnarzt an dem Portal teil, liegt hierin für sich betrachtet kein Verstoß, insbesondere nach § 8 Abs. 2 der Berufsordnung. Zwar kann die Teilnahme zur Verdrängung eines Kollegen führen. Dies ist eine Folge des vom Gesetzgeber grundsätzlich erwünschten Wettbewerbs. Ein Zahnarzt verhält sich allerdings dann unlauter, wenn weitere, über die bloße Verdrängung hinausgehende Verstöße gegen die Berufsordnung vorliegen.

Das Bundesverfassungsgericht und der BGH setzten sich nicht mit den Abrechnungsgrundsätzen auseinander. So könnte in der ebenfalls auf Internetplattformen angebotenen Versteigerung zahnärztlicher Leistungen ein Verstoß gegen § 5 GOZ liegen.

Weiter wird auf die Entscheidung des BGH vom 01.12.2010 zur Versteigerung von Zahnarztleistungen auf einem Internetpreisportal verwiesen (med-ius-Beitrag "Heil- und Kostenpläne im Internet" vom 11.04.2011).

Quelle: ZMGR 110/2011

 

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