Zur Gewerblichkeit einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis bei Anstellung eines Arztes

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RA Dr. Klaus Lieb, FA für Medizinrecht, FA für Handels- und Gesellschaftsrecht

Das Finanzgericht Münster bejahte in seinem Urteil vom 26.11.2021 – 1 K 1193/18 – die Gewerbesteuerpflicht einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis bei Beschäftigung einer angestellten Ärztin. Streitig war die Mitunternehmerstellung einer Gesellschafterin der Gemeinschaftspraxis und damit einhergehend die Rechtsfrage, ob die Gemeinschaftspraxis Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe.

Besagte Gemeinschaftspraxis war an zwei Standorten mit der Fachrichtung Augenheilkunde tätig. Die Altgesellschafter praktizierten am Standort in S., die „Neugesellschafterin“ in R. Das Finanzgericht verneinte eine Mitunternehmerstellung der „Neugesellschafterin“. Zwar besaß die Neugesellschafterin eine Stimme. An dem Gesellschaftsvermögen war sie nicht beteiligt. Sie erhielt ein fixes Arbeitsentgelt als Gewinnanteil Hieran änderte auch der Umstand nichts, dass die „Neugesellschafterin“ aufgrund eines später ergangenen Gesellschafterbeschlusses einen „zusätzlichen Gewinnanteil in Form eines pauschalen Betrages“ erhalten sollte. Nach dem Gesellschaftsvertrag war das Mitunternehmerrisiko der „Neugesellschafterin“ maximal beschränkt. Es wurde auch nicht durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative kompensiert, da es an einer ausgeprägten Initiativbefugnis fehlte. Die Aufgaben der Geschäftsführung lagen weiterhin bei den Altgesellschaftern. Damit entfiel in der Person der „Neugesellschafterin“ eine einheitliche und gesonderte Feststellung der einkommens- und körperschaftssteuerpflichtigen Einkünfte.

Die Altgesellschafter waren nach ihrem Vortrag zwischen 117 und 60 Tagen am Standort in R. tätig. Dies reichte nach Auffassung des Finanzgerichts nicht aus, um eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit der Altgesellschafter anzunehmen. Diese sei nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erforderlich, wonach ein Angehöriger eines freien Berufes auch dann freiberuflich tätig ist, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Voraussetzung sei jedoch, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werde. Eine eigenverantwortliche Tätigkeit liege aber nur vor, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit des Angestellten, hier der „Neugesellschafterin“, im ausreichenden Umfang gewährleistet sei. Die Eigenverantwortlichkeit erschöpfe sich nicht darin, nach außen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der einzelnen Tätigkeit zu tragen. Auch genüge nicht eine gelegentliche fachliche Überprüfung der Mitarbeiter.

Das Finanzgericht Münster bejahte in diesem Fall die Gewerblichkeit der ärztlichen Gemeinschaftspraxis mit der Folge der Gewerbesteuerpflicht, ohne näher auf die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Problematik einer solchen Vertragsgestaltung einzugehen.

Praxishinweis:
Nicht selten sind Altgesellschafter, dies gilt nicht nur für Ärzte, bemüht, die Rechte eines Neugesellschafters zu beschränken. Sie laufen damit Gefahr, dass der Neugesellschafter zwar zivilrechtlich Gesellschafter, nicht aber steuerrechtlich Mitunternehmer der Gesellschaft ist. Abgesehen von der Gewerblichkeit kann bei entsprechender vertraglicher Gestaltung die Tätigkeit des „Neugesellschafters“ arbeits- und sozialversicherungsrechtlich auch als Anstellungsverhältnis qualifiziert werden. Es ist dann besser, gleich in eine abhängige Beschäftigung zu wechseln und eine laufende fachliche Überprüfung des Mitarbeiters sicherzustellen.

Zurück