Zornige Hausärzte, Doktores wollen ihre Kassenzulassungen zurückgeben (NN vom 23.01.2008)
von Lieb Rechtsanwälte
Systemausstieg durch gemeinsame Rückgabe der Zulassung, eine Chance für Vertragsärzte? Die Zulassungsrückgabe im Rahmen sog. Korbmodelle wird u. a. von dem Chef des Bayer. Hausärzteverbandes, Herrn Dr. Hoppenthaller, verfochten. Dem Systemumstieg stehen nicht zuletzt mit dem Urteil des Bundessozialgerichts vom Juni 2007 hohe Hürden entgegen. Auch die politischen Rahmenbedingungen und die kassenärztliche Versorgungswirklichkeit begünstigen das Vorhaben nicht.
1. Das Korbmodell
Die ausstiegsbereiten Ärzte bilden „Körbe“, in denen sie ihre Ausstiegsabsicht hinterlegen mit dem Ziel, die Zulassung zurückzugeben, wenn mindestens 70 bis 75 % der Kollegen einer Region dazu bereit sind. Die Absichtserklärungen werden etwa bei einem Notar gesammelt. Liegt eine genügende Zahl positiver Erklärungen vor, müssen die Ärzte abschließend entscheiden, ob sie ihre Zulassung als Kassenarzt zurückgeben wollen, um künftig nur noch privatärztlich tätig zu werden. Die entsprechenden Erklärungen sind an den Zulassungsausschuss zu richten. Ist nach der Rückgabe der Zulassungen die Versorgung der GKV-Patienten nicht mehr gesichert, können die aussteigenden Ärzte in jedem Fall privat liquidieren oder mit den Kassen lukrative freie Verträge schließen. So sieht es jedenfalls das Korbmodell vor.
2. Gesetzesvorgaben
Geben in einem Zulassungsbezirk mehr als 50 % einer Fachgruppe die Zulassung zurück, hält das Landessozialministerium mit den Kassen und der KV Rücksprache, ob die systemtreuen Kassenärzte den Versorgungsauftrag noch sicherstellen können. Wird die Frage bejaht, haben die Aussteiger keinen Anspruch auf eine Vergütung. Verneint die Aufsichtsbehörde die Sicherstellung durch die im System verbliebenen Ärzte, ist den Kassen die Möglichkeit eröffnet, die Versorgung anderweitig, z. B. durch Verträge mit Kliniken oder MVZ’s, sicherzustellen. Erst wenn auch dies scheitert, ist der Weg für Aussteiger eröffnet, ihre Leistungen nach dem 1,0-fachen Satz GOÄ/GOZ gegenüber den Kassen abzurechnen.
3. Urteil des Bundessozialgerichts
In seiner Entscheidung vom Juni 2007 billigte das Bundessozialgericht (BSG) (Az.: B 6 KA 39/06) eine Weiterbehandlung von GKV-Patienten durch ausgestiegene Ärzte zum Einfachsatz nur in eingeschränktem Umfang.
Nach § 95 Abs. 3 SGB V ist der Vergütungsanspruch des Aussteigers gegen die Krankenkasse auf das 1,0-fache des Gebührensatzes beschränkt, wenn der Versicherte den ausgestiegenen Arzt in Anspruch nimmt. Die Norm legt nicht fest, wann eine berechtigte Inanspruchnahme vorliegt.
In der zitierten Entscheidung hat das BSG deutlich darauf hingewiesen, dass die Mitwirkung der Aussteiger an der Versorgung der Versicherten auf den absolut unvermeidbaren zeitlichen und quantitativen Umfang zu begrenzen ist.
Ein Vergütungsanspruch besteht zweifelsfrei gemäß § 76 Abs. 1 SGB V in Notfällen. Des weiteren gewährt § 13 Abs. 3 SGB V die Möglichkeit der Privatliquidation, wenn ein Fall des Systemversagens vorliegt, mithin die Krankenkasse nicht in der Lage ist, wegen fehlender Ärzte die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Das BSG fordert hierfür, dass es den Versicherten nicht möglich gewesen wäre, in angemessener Zeit und mit zumutbarem Aufwand versorgt zu werden. Dabei ist der Versicherte angehalten, sich vorher bei seiner Krankenkasse nach den in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten zu erkundigen.
Das BSG hat auch deutlich herausgestellt, dass aus § 95b Abs. 3 SGB V nicht das Recht des ausgeschiedenen Arztes abgeleitet werden kann, solange zur Behandlung von Versicherten der GKV berechtigt zu sein, als sein freigewordener Vertragsarztsitz wieder besetzt wird. Dies würde, so das BSG, zu unhaltbaren Konsequenzen führen. Die ausgeschiedenen Ärzte könnten andernfalls die Nachbesetzung ihrer Vertragsarztsitze faktisch verhindern oder zumindest erschweren. Außerdem dürften sie auf unbestimmte Zeit gegen eine feste Vergütung nach der GOÄ/GOZ liquidieren, ohne Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Leistungsmengenbegrenzungen oder der Disziplinargewalt der KV zu unterliegen.
4. Kassenärztliche Versorgungswirklichkeit
In gut versorgten oder überversorgten Gebieten wird ein Systemzusammenbruch schwerlich herbeizuführen sein. Steigt eine genügende Zahl von Hausärzten aus, werden Fachärzte und Kliniken schnell die Lücken füllen. Das Modell kann allenfalls dort greifen, wo eine deutliche Unterversorgung vorliegt.