Wohlüberlegte Entscheidung zur OP-Einwilligung

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RA Dr. Klaus Lieb, FA für Medizinrecht, FA für Handels- und Gesellschaftsrecht

Nach Auffassung des OLG Bremen, Urteil vom 25.11.2021 – 5 U 63/20 –, ist die Einwilligung eines Patienten, die dieser mit Unterzeichnung des Aufklärungsbogens erteilte, unwirksam, weil der Patient keinerlei Bedenkzeit zwischen Aufklärung über die Risiken des Eingriffs und der Entscheidung über die Einwilligung gemäß § 630e Abs. 2 Nr. 2 BGB habe. Eine wohlüberlegte Entscheidung könne so nach dem Wortlaut des § 630e Abs. 2 Nr. 2 BGB nur treffen, wer ausreichend Zeit zum Überlegen habe. Wenn ein Krankenhaus aus organisatorischen Gründen die Übung habe, den Patienten unmittelbar im Anschluss an die Aufklärung zur Unterschrift unter die Einwilligungserklärung zu bewegen, könne in einem solchen Fall nicht von einer wohlüberlegten Entscheidung ausgegangen werden. Sie sei vielmehr unter dem Eindruck einer großen Fülle von dem Patienten regelmäßig unbekannten und schwer verständlichen Informationen und in einer persönlich schwierigen Situation abgegeben. Weiter meint das OLG Bremen, dass die Annahme einer konkludenten Einwilligung des Patienten durch die spätere stationäre Aufnahme ins Krankenhaus regelmäßig daran scheitere, dass einerseits dem Patienten das für die Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung notwendige Erklärungsbewusstsein fehle und andererseits dem Verhalten des Patienten keinerlei Erklärungswert beigemessen werde, solange beiden das Bewusstsein der Unwirksamkeit der Einwilligung fehle.

Die Entscheidung des OLG Bremen ist derzeit nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim BGH unter dem Aktenzeichen VI ZR 375/21 anhängig. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH die aus Sicht der Praxis überspannte Auffassung des OLG Bremen teilt.

630e Abs. 2 Nr. 2 BGB fordert, die Aufklärung so rechtzeitig vorzunehmen, dass ein Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Abzuheben ist auf den Zeitpunkt, zu dem das Aufklärungsgespräch stattzufinden hat. Maßgebend ist der Zeitraum zwischen dem Aufklärungsgespräch und dem Beginn der Behandlung. Zu welchem Zeitpunkt der Patient in die Behandlung einwilligt, hängt primär von ihm ab. Manche Patienten brauchen keine Überlegungszeit. Bei anderen Patienten dauert der Überlegungsprozess länger. Wann dieser abgeschlossen ist, kann ausdrücklich oder auch konkludent zum Ausdruck gebracht werden. Entgegen der Auffassung des OLG Bremen ist nicht nachvollziehbar, weshalb auch nicht konkludent kundgetan werden kann, dass der Patient seine Überlegungen abgeschlossen hat und in die Behandlung konkludent einwilligt.

Würde die Rechtsauffassung des OLG Bremen Schule machen, hätte dies weitreichende Folgen für die Praxis.

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