"Widerrufsrecht gegenüber Versandapotheken"

von Lieb Rechtsanwälte

Internetapotheken haben gegenüber den traditionellen Präsenzapotheken gewisse Vorzüge. Die Bestellung von Arzneimitteln von zu Hause ist bequem, die Rechnung wird erst nach Erhalt der Ware gezahlt. Auch wenn mittlerweile durch Gesetzgebung und Rechtsprechung entscheidende Weichen für den Internetapothekenhandel gestellt worden sind, sind bestimmte Fragen zu rechtlichen Grenzen und Bedingungen des Arzneimittelversands noch längst nicht abschließend geklärt, wie etwa die Frage, ob ein Verbraucher den Bezug von Arzneimitteln gegenüber dem Apotheker widerrufen kann. Internetapotheken beugen dem in der Regel durch Ausschlussregelungen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor.

Nach einem Urteil des Amtsgericht Köln, das bereits am 31.05.2007 (Az.: 111 C 22/07) ergangen ist, sollen Feranbsatzverträge, bei denen es um den Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel geht, widerrufen werden können. Es ging hierbei um einen Fall, in welchem eine Versandapotheke in ihren AGB einen Widerruf nach § 314 d Abs. 4 Nr. 1 BGB ausgeschlossen und deshalb die von einem Kunden geforderte Rückabwicklung eines Medikamentenkaufs ablehnte.

Fernabsatzverträge, d.h. Verträge, die telefonisch oder über Internet geschlossen werden, sind nach § 312d Abs. 1 BGB widerrufbar. Ein genereller Ausschluss ist unwirksam (§ 312 f BGB). Zulässig ist aber die Einschränkung durch gesetzliche Ausnahmetatbestände, auf die der Versandhandel hinweisen muss, wenn er sich auf diese beruft. Die Informierung durch AGBs ist möglich. Dies hat das Amtsgericht Köln auch im Fall der Versandapotheke angenommen und auf die Ausnahmetatbestände des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB (Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten wurde) abgestellt, wobei es sich bei dem streitgegenständlichen gekauften Fertigarzneimittel auf die Variante „nicht für eine Rücksendung geeignet“ stützte. Die anderen Alternativen, die vor allem bei individuell hergestellte Rezepturarzneimittel in Frage kommen, waren nicht einschlägig. Das Amtsgericht erachtete jedoch die von ihm überprüfte Alternative als nicht erfüllt.

Dieses Ergebnis gibt Anlass zu Kritik. Denn nach dem Regelungszweck des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB ist von gewissen Missbrauchsmöglichkeiten und unbillige Härten für den Verkäufer auszugehen, wenn die zurückgesandte Ware praktisch nicht mehr verkäuflich ist, sei es aufgrund der tatsächlichen Beschaffenheit oder der dem Produkt anhaftenden spezifischen Vertriebsvorschriften. Beides kann auch bei Fertigarzneimitteln in Betracht kommen !

Die Apotheke stützte den Widerrufsausschluss darauf, dass gesetzliche Bestimmungen eine erneute Abgabe der zurückgegebenen Medikamente an andere Kunden nicht zuließen.

Gegen eine Zulässigkeit der erneuten Abgabe spricht u.a. der Rechtsgedanke des § 7b der Betriebsordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe (AMGrHdlBetrV). Nach dieser Vorschrift ist der Arzneimittelgroßhandel verpflichtet, zurückgenommene Arzneimittel getrennt von den zur Abgabe bestimmten Beständen zu lagern und als „nicht verkehrsfähig“ kenntlich zu machen, abzusondern und der Vernichtung zuzuführen, wenn der Zurückgebende keine Angaben zur Verkehrsfähigkeit macht. Vom privaten Endverbraucher dürfte eine fachgerechte Lagerung und Behandlung des Arzneimittels von vornherein nicht vorausgesetzt werden können. Der Apotheker kann hingegen keine zuverlässige Angaben zur Verkehrsfähigkeit des zurück gegebenen Arzneimittels abgeben. Dies macht eine erneute Abgabe zurück gegebener Arzneimittel an sich unvertretbar.

Ein gesetzlich geregelter Sonderfall zur Abgabe von Arzneimitteln in Alten- und Pflegeheimen, sowie Hospizen, der im Zusammenhang mit dem neugefassten § 5b IV BtMVV zu sehen ist, spricht ebenfalls gegen eine generelle Zulässigkeit und Unbedenklichkeit der erneuten Abgabe von Arzneimitteln. Nach dieser Sonderregelung dürfen nicht mehr benötigte Betäubungsmittel, die ein Arzt für Patienten in den vorgenannten Einrichtungen in eigener Verantwortung lagert, an eine versorgende Apotheke zum Zweck der Weiterverwendung in einer entsprechenden Einrichtung zurückgegeben werden. Das Bedürfnis nach einer derartigen Sonderfallregelung zeigt, dass grundsätztlich nich von einer allgemeinen Zulässigkeit der erneuten Abgabe zurück gegebener Arzneimittel auszugehen ist. Es spricht daher einiges dafür, auch bei Fertigarzneimitteln grundsätzlich von einem Verbot der erneuten Abgabe ausgehen zu müssen. Dies rechtfertigt dann auch einen Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB.

Das Amtsgericht Köln hat sich auf dieses Problem nicht weiter eingelassen, sondern die Ausschlussklausel in den AGB der Apotheke für unwirksam erklärt. Es spielte für das Gericht keine weitere Rolle, ob ein zurückgegebenes Arzneimittel erneut verkauft werden darf oder nicht. Das Risiko, aus rechtlichen Gründen keine erneute Abgabe vornehmen zu dürfen soll demnach allein beim Verkäufer liegen, das gesetzliche Rücktrittsrecht deshalb aber nicht berühren. Im vorliegenden Fall kam noch hinzu, dass das Arzneimittel auch von seiner Beschaffenheit (kein Verderb oder sonstige Verschlechterung) zur Rücksendung geeignet war.

Der sehr verbraucherfreundlichen Entscheidung des Amtsgericht Köln ist sicher nicht vorbehaltlos zuzustimmen. Verbraucherschutz kann nicht dazu führen, dass Besonderheiten des Arzneimittel- und Apothekenrechts unberücksichtigt bleiben und zu einer einseitigen Benachteiligung des Apothekers führen. Macht dieses Urteil Praxis, kann dies u.U. ruinöse Folgen für den Apotheker haben. Nicht bedacht wird auch, wie in Fällen zu verfahren sein soll, in denen die Kosten für das Arzneimittel von der gesetzlichen Krankenkasse (mit-)getragen werden. Die Krankenkasse fällt nicht unter den Verbraucherstatus, würde aber automatisch am Widerrufs- und Rückgaberecht des Versicherten partizipieren.

Durch einen Ausschluss nach § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB geht der Verbraucherschutz dagegen nicht verloren, da der Verbraucher nach § 312c BGB entsprechend zu informieren ist und damit die Wahl behält, ob er das Arzneimittel in Kenntnis des Ausschlusses über das Internet bezieht oder den Präsenzapotheker seines Vertrauens aufsucht. Wird die Informationspflicht nicht erfüllt, macht sich der Apotheker schadensersatzpflichtig.

Eine gefestigte Rechtsprechung zu diesem spieziellen Bereich besteht bislang nicht. Die weitere, vor allem ober- und höchstrichterliche Rechtsprechungsentwicklung bleibt daher abzuwarten.

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