Wettbewerbsrecht: Ruinöser Preiswettbewerb bei zahnärztlichen Leistungen

von Lieb Rechtsanwälte

Das Kammergericht Berlin stellte mit Urteil vom 09.08.2013 – 5 U 88/12 – u. a. fest:

1.  Die Vereinbarung von Pauschalpreisen für zahnärztliche Leistungen ist als Verstoß gegen § 2 Abs. 1 GOZ grundsätzlich unzulässig.

2.  Die Unterschreitung des Mindestsatzes der Gebührenordnung für Zahnärzte ist in der Regel unzulässig. Das Verbot eines Angebots, den Mindestsatz für zahnärztliche Leistungen bei mittlerer Schwierigkeit und durchschnittlichem Zeitaufwand zu unterschreiten, kann nur in besonderen Fällen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar sein. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Grenze zu einem ruinösen Preiswettbewerb überschritten wird.

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt ein Internetportal, auf dem sie sog. „Deals“ anbietet. U. a. bewarb sie die kosmetische Zahnreinigung für € 24,90 bei einem Zahnarzt. Nach der GOZ belaufen sich die Mindestgebühren für eine professionelle Zahnreinigung auf € 49,80. Die Klägerin ist eine berufsständische Vertretung der Zahnärzte.

Entscheidung:

Bei den Bestimmungen der GOZ handelt es sich, so das Kammergericht im Einklang mit der herrschenden Meinung und Rechtsprechung, um Marktverhaltungsvorschriften im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Dem steht die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken nicht entgegen. Die Richtlinie lässt Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten in Bezug auf die Gesundheitsaspekte unberührt, so auch die Vorschriften der GOZ.

§ 2 Abs. 1 Satz 1 GOZ erlaubt grundsätzlich die Vereinbarung einer abweichenden Gebührenhöhe. Diese erfasst sowohl Überschreitungen der Höchstsätze wie auch Unterschreitungen der Mindestsätze. § 15 Abs. 1 der Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer lässt ebenfalls Raum für abweichende Vereinbarungen in beide Richtungen. § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ räumt dem Zahnarzt bei der Bemessung der Gebühren ein Ermessen ein.

Gleichwohl verneinte das Kammergericht die Zulässigkeit der Unterschreitung der Mindestsätze der GOZ im vorliegenden Fall. Das vom Verordnungsgeber verfolgte Ziel, eine angemessene leistungsgerechte Vergütung ärztlicher Leistungen zu gewährleisten und im Interesse eines funktionierenden Gesundheitssystems ruinösen Wettbewerb unter Zahnärzten zu vermeiden, um gleiche rechtliche Voraussetzungen für alle Wettbewerber zu schaffen, rechtfertige die Mindestpreisvorschriften der GOZ. Zwar sei auch unter Zahnärzten ein Preiswettbewerb zulässig, dies aber nur in den Grenzen, die durch die Gründe des Gemeinwohls bestimmt werden. Im vorliegenden Fall seien die Grenzen zu einem ruinösen Preiswettbewerb überschritten, wenn eine professionelle Zahnreinigung zu einem Preis angeboten werde, der etwa die Hälfte der sich aus dem Gebührenverzeichnis für Zahnärzte ergebenden Mindestgebühren ausmache. Die Problematik verschärfe sich noch, wenn man berücksichtige, dass das von der Beklagten beanspruchte Entgelt 50 % des Angebotspreises ausmache, mithin der mit der Beklagten kooperierende Zahnarzt letztlich nur ein Entgelt in Höhe von ca. 25 % der Mindestgebühren erhalte.

Die Beklagte als Betreiberin des Internetportals haftet als Teilnehmerin an den Wettbewerbsverstößen des mit ihr kooperierenden Zahnarztes. Die Teilnehmerhaftung ist zu bejahen, obwohl die Beklagte nicht selbst Adressatin der Gebührenvorschriften für Zahnärzte ist.

In gleicher Weise hielt das Kammergericht die von der Beklagten beworbene Implantatversorgung und kieferorthopädische Zahnkorrektur für unzulässig.

(Quelle: ZMGR 132/2014)

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