Werbung einer Arztpraxis als Zentrum?

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RA Dr. Klaus Lieb (Fachanwalt für Medizinrecht)

In dem zu entscheidenden Fall betrieben zwei Ärzte eine Praxis für plastische Chirurgie. Auf der Webseite bezeichneten sie ihre Gemeinschaftspraxis als „Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“. Das Landgericht untersagte den Ärzten, im geschäftlichen Verkehr Dienstleistungen eines plastischen Chirurgen unter dem Namen Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie zu bewerben und schräge oder anzubieten, wenn in der Praxis insgesamt lediglich zwei Ärzte beschäftigt sind. Die Ärzte handelten unlauter, da der Verkehr mit dem Begriff „Zentrum“ eine gewisse Größe und Marktbedeutung des so bezeichneten Unternehmens verbände, an der es hier fehle.

Anders sieht das Oberlandesgericht Frankfurt das in seiner Entscheidung vom 11.5.2023-6 U 4/23.

Die Begriffe „Zentrale“, „Zentrum“ und „Center“ wurden, so das OLG, nach ihrem ursprünglichen Sinn als Hinweis auf die besondere Größe und Bedeutung eines Unternehmens verstanden. Die Bezeichnung Center habe diese Bedeutung indes weitgehend verloren. Der Begriff werde in vielen Branchen gerade zu einem Modewort geworden, das in verschiedenen Zusammensetzungen gebraucht werde wie zum Beispiel Möbel-Center, Fitness-Center, Teppich-Center, Möbel-Center. In diesen Zusammensetzungen weise das Wort „Center“ nicht auf ein kapital- oder umsatzstarkes Unternehmen hin, das seine Mitbewerber überrage. Ob sich ein ähnlicher Bedeutungswandel wie für den Begriff „Center“ für die Bezeichnungen

„Zentrale“ und „Zentrum“ im selben Umfang feststellen lasse, sei zweifelhaft. Das OLG meint jedenfalls unter Nennung verschiedener Beispiele (Autozentrale, Rechenzentrum, Handelszentrum, Bildungszentrum, Hörzentrum), dass bei Verwendung dieser Begriffe das Unternehmen über den Durchschnitt gleichartiger Unternehmen hinausragen müsse.

Jedenfalls für den medizinischen Bereich weise, so das OLG, der Begriff „Zentrum“ nicht auf eine besondere Größe hin. Zwar habe der BGH (im Jahr 2012) die Bezeichnung „Neurologisches/Vaskuläres Zentrum“ für eine mit einem Internisten als Chefarzt besetzte Unterabteilung eines Krankenhauses als irreführend beanstandet, weil die fragliche Unterabteilung erkennbar nicht über eine über den Durchschnitt hinausgehende Kompetenz, Ausstattung und Erfahrung auf dem fraglichen Gebiet verfügte. Jedoch hätten sich die gesetzlichen Voraussetzungen seither geändert. Nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V erfordere ein Medizinisches Versorgungszentrum keine bestimmte Größe. Der einzige Unterschied zu einer Berufsausübungsgemeinschaft bestehe darin, dass nicht der einzelne Arzt, sondern das MVZ als Einrichtung zugelassen sei. Damit bestehe für Praxen mit zwei tätigen Ärzten die Möglichkeit, sich als MVZ zuzulassen und unter der Bezeichnung Medizinisches Versorgungszentrum auf dem Markt aufzutreten. Dass die gesetzliche Definition in § 95 Absatz 1 S. 2 SGB V Auswirkungen auf das Verständnis des allgemeinen Begriffs „Zentrum“ habe, dränge sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts geradezu auf. Die Häufigkeit des Auftretens von MVZs auf den Markt führe an eine Gewöhnung des Verkehrs an die Begrifflichkeit. Unter dem Gesichtspunkt der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 3 I, 12 II GG wäre es zudem verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, einem „Zentrum für ästhetischen plastische Chirurgie“ mit zwei ärztlichen Mitarbeitern diese Bezeichnung zu untersagen und zugleich einem Medizinischen Versorgungszentrum für ästhetischen plastische Chirurgie“ mit zwei ärztlichen Mitarbeitern die Verwendung der Bezeichnung „Zentrum“ zu erlauben.

 

Quelle: GesR 442/2023

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