Welche ärztlichen Gutachten sind umsatzsteuerpflichtig, welche nicht?

von Lieb Rechtsanwälte

Nach § 4 Nr. 14 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt umsatzsteuerfrei. Die Regelung gilt aber nur für Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden. Steht das therapeutische Ziel nicht im Vordergrund, fällt Umsatzsteuer an. Gutachten sind demnach umsatzsteuerfrei, wenn das Hauptziel im Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit zu sehen ist. Dient das Gutachten hingegen einem Dritten bei der Entscheidungsfindung, die gegenüber dem Betroffenen oder anderen Personen auch noch Rechtswirkung erzeugt, wird die Steuer fällig. Die Oberfinanzdirektion Hannover hat in ihrer Verfügung vom 27.02.2008 (S-7170-75-StO181) eine nach umsatzsteuerpflichtigen und umsatzsteuerfreien Gutachten sortierte Liste herausgebracht. Diese bietet eine gute Orientierungshilfe.

Umsatzsteuerpflichtige Gutachten:

  • Gutachten über den Kausalzusammenhang zwischen einem rechtserheblichen Tatbestand und einer Gesundheitsstörung (z. B. Körperverletzung, auch ärztlicher Behandlungsfehler);
  • Gutachten über die Tatsache oder zur Klärung der Ursache eines Todes;
  • Alkohol- und Drogengutachten zur Untersuchung der Fahrtüchtigkeit (siehe Abschnitt 91a Abs. 3 Nr. 6 UStR);
  • Gutachten über den Gesundheitszustand als Grundlage für Versicherungsabschlüsse (siehe Abschnitt 91a Abs. 3 Nr. 6 UStR);
  • Gutachten für die Berufstauglichkeit oder Verwendungsfähigkeit des Untersuchten, z. B. Flugtauglichkeitsuntersuchung (siehe Abschnitt 91a Abs. 3 Nr. 6 UStR);
  • Gutachten über die Minderung der Erwerbsfähigkeit/Berufsfähigkeit in Sozialversicherungsangelegenheiten, in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung und in Schadensersatzprozessen;
  • Gutachten und Zeugnisse über das Seh- und Hörvermögen (siehe Abschnitt 91a Abs. 3 Nr. 6 UStR);
  • Gutachten über die Freiheit des Trinkwassers von Krankheitserregern;
  • Gutachten für Berufsgenossenschaften und Versicherungen zur Frage des Kausalzusammenhangs von bestimmten Vorerkrankungen und dem Todeseintritt des Versicherten;
  • Gutachten für Staatsanwälte und Gerichte zur Klärung des Kausalzusammenhangs zwischen ärztlicher Fehlbehandlung und einer Gesundheitsstörung bzw. dem Todeseintritt;
  • schriftliche und mündliche Gutachten für Staatsanwaltschaft und Gerichte über Schuld- und Handlungsfähigkeit von Personen; Gutachten zur Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus oder eine Erziehungsanstalt;
  • Prognosegutachten im Rahmen des Strafvollzugs;
  • Blutgruppenuntersuchung und DNA-Analysen (z. B. zur Spurenauswertung);
  • Pflegegutachten (vgl. § 18 Abs. 1 SGB IX);
  • medizinisch-psychologisches Gutachten über die Fahrtauglichkeit;
  • gutachterliche Feststellungen zum voraussichtlichen Erfolg von Rehabilitationsmaßnahmen im Rahmen eines Renten- oder Invaliditätsverfahrens, siehe auch EuGH-Urteil vom 20.11.2003, C-307/01, EuGH E I S.13989 und BFH vom 31.07.2007, V B 98/06, BStBl 2008 II S.35;
  • Gutachten zur Feststellung von Beschädigungen als Grundlage für eine Entschädigungsleistung;
  • Genehmigung zur Feuerbestattung (sog. II. Leichenschau);
  • vertragszahnärztliche Planungsgutachten;
  • Gutachten nach § 12 Abs. 1 der Psychotherapie-Vereinbarung;
  • sport- und reisemedizinische Untersuchungs- und Beratungsleistungen (Anmerkung: Die Einstufung ist streitig. Es gibt hier auch die Auffassung, dass die Untersuchungen einen rein präventiven Zweck haben. Es soll verhindert werden, dass aufgrund der Sportausübung oder aufgrund einer Fernreise eine Krankheit entsteht oder eine Schädigung oder Vorerkrankung sich verschlimmert. Die Finanzverwaltung stellt sich auf den Standpunkt, dass Sport und Reise den Lebensstil betreffen und von der Umsatzsteuerbefreiung nicht profitieren sollen.);
  • Röntgenaufnahmen zur Erstellung eines steuerpflichtigen Gutachtens (siehe Abschnitt 91a Abs. 3 Nr. 6 UStR);
  • gutachterliche oder beratende Tätigkeiten im Bereich der Krankenhaushygiene;
  • ärztliche Befundberichte, die nach § 10 Abs. 1 JVEG i. V. m. Anlage 2 Nr. 202 und 203 (Zeugnis über einen ärztlichen Befund mit kurzer gutachterlicher Äußerung) vergütet werden. Die Umsätze sind steuerbar und steuerpflichtig. Soweit die Tätigkeit eines sachverständigen Zeugen nach § 10 Abs. JVEG i. V. m. Anlage 2 Nr. 200 und 201 (Ausstellung eines Befundscheins oder Erteilung einer schriftlichen Äußerung ohne nähere gutachterliche Äußerung) vergütet wird, liegt ein nicht steuerbarer Schadensersatz vor, siehe Abschnitt 3 Abs. 8 UStR (Anmerkung: Zur Umsatzsteuerpflicht von Sachverständigen ist ein Verfahren beim Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B9SB 7/07 anhängig.).

Gutachten, bei denen die Umsatzsteuer nicht anfällt:

  • Gutachten zur Feststellung der persönlichen Voraussetzungen für eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme, auch wenn der Patient im Ergebnis nicht rehabilitierbar ist;
  • die Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen (Untersuchungen zur Vorbeugung und Früherkennung von Krankheiten, z. B. Krebsfrüherkennung oder Glaukomfrüherkennung), auch betriebsärztliche Vorsorgeunter-suchungen;
  • für ärztliche Untersuchungen nach dem ASiG kommt die Befreiung nur in Betracht, soweit diese gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 ASiG erfolgen und es sich nicht um Einstellungsuntersuchungen handelt; das gilt entsprechend für die nach anderen Schutzvorschriften erbrachten medizinischen Leistungen, die therapeutischen Zwecken dienen, z. B. nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (siehe BMF-Schreiben vom 04.05.2007, BStBl I S. 481);
  • Alkohol- und Drogengutachten zum Zwecke einer anschließenden Heilbehandlung (z. B. zur Feststellung eines körperlichen Defekts beim Abbau von Alkohol und Medikamenten);
  • körperliche Untersuchungen zur Verwahrfähigkeit im Rahmen des Polizei- und Justizgewahrsams;
  • Durchführung der äußeren Leichenschau und Ausstellen der Todesbescheinigung als letzte Maßnahme im Rahmen der Heilbehandlung;
  • Gutachten für die gesetzliche Krankenversicherung (z. B. Gutachten zu medizinischen Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen, der Hilfsmittelversorgung und der häuslichen Krankenpflege im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung nach § 275 SGB V; Gutachten zur ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung und der Verordnung von Arzneimitteln);
  • Leistungen zur Kontrolle von Spenderblut einschließlich Blutgruppenbestimmung;
  • Erstellung und Befundung der Mammographien bzw. der Zweitbefundung der von Radiologen erstellten Mammographien des Mammographiescreenings;

Kleinunternehmerregelung:

Grundsätzlich umsatzsteuerpflichtige Gutachten sind dann steuerfrei, wenn für den Arzt die Anwendung der sog. Kleinunternehmerregelung in Frage kommt. Das ist dann der Fall, wenn die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze, hierzu gehören auch Honorare für Vorträge und für die Teilnahme an Studien, nicht mehr als € 17.500,00 im vorangegangenen Kalenderjahr betragen und im laufenden Jahr voraussichtlich € 50.000,00 nicht übersteigen werden.

Quelle: Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover S-7170-75-StO181 vom 27.02.2008, Medical Tribune, Ausgabe vom 06.06.2008, S. 25

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