VGH Mannheim: Eine Kräuterteemischung mit Rhabarberwurzel ist kein Arzneimittel

von Lieb Rechtsanwälte

Der VGH Mannheim setzte sich in seinem Urteil vom 11.02.2010 (Az. 9 S 3331/08) mit dem Begriff des "Präsentationsarzneimittels" auseinander. Er folgte dabei der aktuellen Rechtsprechung, insbesondere des EuGH (vgl. EuGH, GRUR 2008, 271 - "Knoblauchkapseln").

1. Sachverhalt

Im Streit stand der Vertrieb einer Kräuterteemischung, deren Bestandteile, u.a. Rhabarberwurzel, üblicherweise in Kräutertees nicht enthalten sind. Der Beipackzettel schrieb dem Tee allgemeine gesundheitsbezogene Wirkungen zu, etwa die Steigerung der körpereigenen Abwehrkräfte. Hergestellt wurde das Produkt von einem kanadischen Hersteller. Auf dessen Webseite wurde angegeben, der Tee könne auch während einer Strahlenbehandlung oder einer Chemotherapie getrunken werden. In Internetforen wurde darüber hinaus verschiedentlich über eine heilende Wirkung in Bezug auf Krebserkrankungen gesprochen.

Das zuständige Regierungspräsidium stufte den Tee als "Präsentationsarzneimittel" ein und untersagte den weiteren Vertrieb. Erstinstanzlich wurde die Entscheidung bestätigt. Der VGH hob das Urteil auf.

2. Entscheidung

Zunächst lehnte der VGH eine Einstufung der Kräuterteemischung als Funktionsarzneimittel ab. Auch ein Präsentationsarzneimittel sei nicht gegeben, da das Produkt weder ausdrücklich als ein Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten bezeichnet noch entstehe bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher ein entsprechender Eindruck.

Die gesundheitsbezogenen Hinweise in der Produktaufmachung und im Internetauftritt des Vertriebsunternehmens sowie auf der Webseite des Herstellers reichten nach Ansicht des VGH für ein arzneimittelartiges Erscheinungsbild ebenfalls nicht aus. Zwar müsse sich die Klägerin, das Vertriebsunternehmen, die Aussagen des Herstellers zurechnen lassen, jedoch würden damit lediglich Assoziationen zu Krebserkrankungen erzeugt, ohne dass eine therapeutische Wirkung in Anspruch genommen werden. Internetbeiträge Dritter, auf welche die Klägerin weder Bezug nehme noch Einfluss habe, seien bei der Einordnung des Produktes als Präsentationsarzneimittel oder Lebensmittel nicht zu berücksichtigen. Eine Obliegenheit der Klägerin, den durch unabhängige Dritte entstandenen Anschein eines Arzneimittels durch Gegenmaßnahmen zu beseitigen, lehnte der VGH ab.

Praxishinweis:

Von Bedeutung sind vor allem die Ausführungen des VGH zur Zurechnung von Aussagen Dritter. Der VGH will dem Vertriebsunternehmen einen vom Hersteller gesetzten Anschein eines Arzneimittels uneingeschränkt und unabhängig von jeder Einflussnahmemöglichkeit zurechnen. Aussagen unabhängiger Dritter sollen hingegen grundsätzlich nicht zurechenbar sein. Im Einzelfall mag aus Verbraucherschutzgründen etwas anderes gelten. Einen derartigen Ausnahmefall sah der VGH allerdings - zu Recht - nicht.

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