Vertragsarztrecht: Widerruf einer Abrechnungsgenehmigung nur mit Wirkung für die Zukunft.

von Lieb Rechtsanwälte

Das Sozialgericht Saarbrücken stellte mit Urteil vom 29.04.2016 – S 2 KA 63/15 – fest, dass der Widerruf einer Genehmigung, die an persönlich-fachliche Qualifikationen anknüpft und damit einhergehend zur Erbringung und Abrechnung bestimmter Leistungen nach § 135 Abs. 2 SGB V berechtigt, erst mit Erlangung der Bestandskraft und mithin ex nunc die aufschiebende Wirkung eines erhobenen Widerspruchs durchbricht.

In dem Streitfall hatte die Kassenärztliche Vereinigung einer Ärztin die vormals erteilte Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von kurativen und präventiven Koloskopien nach der Qualitätssicherungsvereinbarung gemäß § 135 Abs. 2 SGB V am 26.01.2014 widerrufen. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Ärztin wurde am 22.04.2015 zurückgewiesen. Die Kassenärztliche Vereinigung setzte die von der Ärztin im Quartal I/2015 erbrachten Leistungen für den koloskopischen Komplex unter Hinweis auf die nicht mehr vorliegende Genehmigung ab. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens meinte sie, es liege im Risikobereich der Ärztin, ob sie für Leistungen, die nach Widerruf einer Genehmigung erbracht werden, eine Vergütung erlange.

Das Sozialgericht Saarbrücken teilte diese Rechtsauffassung nicht. Die Ärztin habe auch im Quartal I/2015 weiterhin Leistungen gemäß der Qualitätssicherungsvereinbarung erbringen dürfen. Der Widerruf der Genehmigung habe erst mit Erlangung der Bestandskraft des Bescheids und mithin ex nunc die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs durchbrochen. Es müsse jederzeit klar sein, welcher Arzt Versicherte der Krankenkassen zu deren Lasten behandeln und Leistungen verordnen dürfe und ob insoweit ein Anspruch des Arztes bestehe, wegen der ihm erbrachten Leistungen an der Verteilung des Honorars beteiligt zu werden. Dies gelte nicht nur für Zulassungs- und Zulassungsentziehungsfragen, sondern für weitere Genehmigungen, die an persönlich-fachliche Qualifikationen anknüpfen und einhergehend zur Erbringung bestimmter Leistungen berechtigen. Da auch ein Drittwiderspruch eine Genehmigung erst ex nunc suspendiere, könne im umgekehrten Fall der Entziehung für eine an persönlich-fachliche Qualifikationen anknüpfende Genehmigung nichts anderes gelten.

Praxishinweis:

Das Bundessozialgericht stellte bereits mit Urteil vom 02.04.2014 – B 6 KA 15/13 R – fest, dass die Beseitigung einer einem Leistungserbringer erteilten Genehmigung nur ex nunc erfolgen kann, und zwar unabhängig davon, ob ein Widerruf oder eine Aufhebung erfolgt.

In der Praxis wird eine Kassenärztliche Vereinigung regelmäßig von dem Instrument der Anordnung der sofortigen Vollziehung Gebrauch machen, um die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs zu durchbrechen.

Quelle: GesR 157-159/2017

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