Vertragsarztrecht: Bereicherungsrechtliche Ansprüche wegen Verschaffung eines Vertragsarztsitzes?

von Lieb Rechtsanwälte

1. Fall:

Ein Facharzt für Radiologie verzichtete auf seine vertragsärztliche Zulassung zugunsten des MVZ, um sich vom MVZ anstellen zu lassen. Vertraglich wurde vereinbart, dass der Facharzt für den Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere auch einer außerordentlichen Beendigung, aus welchem Grund auch immer, vor Ablauf von drei Jahren eine Abfindung für die „eingebrachte“ vertragsärztliche Zulassung erhalte. Das MVZ kündigte das Arbeitsverhältnis wenige Monate später fristlos. Der Facharzt erhob gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klage vor dem Arbeitsgericht und beanspruchte die vereinbarte Abfindung. Seine Klage wurde abgewiesen. Die Berufung zum LAG Hamm war erfolglos.

2. Aus den Entscheidungsgründen

Das LAG Hamm entschied mit Urteil vom 22.04.2016 – 10 Sa 769/15 –, dass dem Facharzt kein Anspruch auf Wertersatz gemäß den §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB zustehe. Zwar habe das MVZ mit dem Vertragsarztsitz im Sinne von § 812 Abs. 1 BGB etwas erlangt, jedoch nicht „durch Leistung“ des Facharztes. Entscheidend für die Erlangung der vertragsärztlichen Zulassung war nicht der Verzicht des Facharztes, sondern vielmehr die nach § 103 SGB V getroffene Entscheidung des Zulassungsausschusses der KÄV. Der Zulassungsausschuss traf seine Entscheidung unabhängig von Anweisungen des Facharztes auf der Grundlage sozialrechtlicher Vorschriften. Da der Facharzt keine Weisungsbefugnisse gegenüber dem Zulassungsausschuss hat, liegt auch keine mittelbare Zuwendung über einen Dritten vor, die dem Facharzt zuzurechnen wäre. Allein die Mitursächlichkeit des Verzichts des Facharztes führt nicht dazu, dass das MVZ die vertragsärztliche Zulassung durch Leistung des Facharztes erlangte.

Auch ein Bereicherungsausgleich über die Eingriffskondiktion findet nicht statt. Zwar ist dem MVZ durch die Entscheidung des Zulassungsausschusses eine vermögenswerte Rechtsposition zugeflossen, nämlich der Vertragsarztsitz des Facharztes. Es handle sich hierbei jedoch nicht um eine vermögensrechtlich nutzbare Rechtsposition des Facharztes.

Quelle: Gesundheitsrecht 10/2016, S. 655 mit 659

Praxistipp:

Verzichtet ein Vertragsarzt auf seine vertragsärztliche Zulassung zugunsten einer BAG/eines MVZ, sollte er sich, gegebenenfalls unter Aufnahme einer zeitlichen Begrenzung, die Möglichkeit der Rückumwandlung zu seinen Gunsten unter gleichzeitiger Aufnahme eines Vertragsstrafeversprechens seitens der BAG/MVZ sichern.

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