Versuchsbeginn beim Anruf durch einen „falschen Polizeibeamten“
von Lieb Rechtsanwälte
Ein Beitrag von RAin Yağmur Depboylu und Dipl.-Uni. Jur. Dr. Tarek Higa
Eine Fallanalyse zu OLG Bremen, Beschl. v. 19.03.2024 – 1 Ws 28/24, BeckRS 2024, 8151.
I. Leitsätze
- Handelt es sich bei einem Betrug um ein mehraktiges Geschehen, so ist erst diejenige Täuschungshandlung maßgeblich, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Vermögensverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll; entscheidend ist, ob die Täuschung ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in de angestrebte Vermögensverschiebung mündet oder diese nur vorbereitet.
- Bereits in der Behauptung, die geschädigte Person könnte im Besitz von Falschgeld sein, liegt daher die Täuschung, [welche] die Geschädigte unmittelbar zu einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen sollte, ohne dass es noch einer Aufforderung zur Herausgabe des Geldes bedarf.
II. Fallanalyse
Der dem OLG vorgelegte Fall behandelt den Versuch des Angeklagten A, sich durch die Betrugsmasche „Falscher Polizeibeamter" auf betrügerische Weise Geld zu verschaffen. Dabei werden potenzielle Opfer dazu gebracht, Geld an einen zuvor telefonisch angekündigten Empfangsboten zu übergeben, unter dem Vorwand, es handele sich um eine polizeiliche Maßnahme. Im Rahmen seines Tatplans kontaktierte A die Geschädigte D, deren Telefonnummer er aus dem Telefonbuch bezogen hatte. Er gab sich als „Notrufsprecher der Deutschen Polizei" aus und erklärte, es bestehe die Möglichkeit, dass D im Besitz von Falschgeld sei, das von der Bank umgetauscht werden müsse.
Für die angeblich notwendigen Ermittlungen forderte er die Seriennummern aller Geldscheine, die D besitze, um diese an eine „sachbearbeitende Kollegin" weiterzuleiten, die sich anschließend bei ihr melden würde. D reagierte ablehnend, erklärte, dass dies A nichts angehe, und legte auf.
Strafbarkeit des A gem. §§ 263 Abs. 1, 22, 23 I StGB?
III. Entscheidung des OLG
Das OLG beschäftigte sich mit einer Strafbarkeit wegen versuchten Betruges gem.
§§ 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB.
Problematisch ist, ob A im vorliegenden Fall unmittelbar zur Tat angesetzt habe,
§ 22 StGB. Nach allgemeinen Grundsätzen liegt ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Handlungen vor, die nach Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbar räumlich-zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies wird angenommen, soweit der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschreitet und objektiv keine wesentlichen Zwischenakte mehr zwischen Ausführungshandlung und Tatvollendung stehen.
Das OLG warf indes die Frage auf, inwieweit in der bloßen Aufforderung bereits ein unmittelbares Ansetzen zu sehen war. Hierbei betonte es, dass bei einen „mehraktigen“ Betrug erst diejenige Täuschungshandlung maßgeblich ist, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Vermögensverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll.
Entscheidend ist, ob die Täuschung ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die angestrebte Vermögensverschiebung mündet oder diese nur vorbereitet.
Vorliegend hätte A noch im selben Telefonat zur Übergabe von Geld aufgefordert und sich auf den Weg gemacht. Eines neuen Willensimpulses hätte es nicht bedurft. Insoweit wäre es bei ungehindertem Fortgang sicher zu einer entsprechenden Aufforderung gekommen, wenn D nicht misstrauisch geworden wäre und das Telefonat beendet hätte, so das OLG. Der weitere Geschehensablauf wäre durch D nicht mehr zu beeinflussen gewesen. Bereits in der Behauptung, die Geschädigte könne im Besitz von Falschgeld sein, liegt daher die Täuschung, welche die Geschädigte einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen sollte.
Im Übrigen stellte das OLG fest, dass ein etwaiger Rücktritt vom Versuch aufgrund Fehlschlags ausscheidet und weiterhin eine Strafbarkeit gem. § 132 StGB tateinheitlich verwirklicht wurde.