Verlängerung der Zulassung über das 68.Lebensjahr

von Lieb Rechtsanwälte

Achtung! Neues EuGH-Urteil zum "Zwangsruhestand"!!! Lieb aktuell vom 28.10.2007

Nicht wenige Vertragsärzte sehen sich durch die „68er-Regelung“ in der Ausübung ihres freien Berufes eingeschränkt und diskriminiert.

1. Rechtslage
1.1.
Im Jahre 1998 wurde die Altersbegrenzung eingeführt. Im Gesetz heißt es:
"Die Entwicklung der Vertragsarztzahl stellt eine wesentliche Ursache für überhöhte Ausgabenzuwächse in der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Angesichts einer ständig steigenden Zahl von Vertragsärzten besteht die Notwendigkeit, die Anzahl der Vertragsärzte zu begrenzen. Die Überversorgung kann nicht nur durch Zulassungsbeschränkungen und damit zu Lasten der jungen Ärztegeneration eingedämmt werden. Hierzu ist auch die Einführung einer obligatorischen Altersgrenze der Vertragsärzte erforderlich."

Mit dem Argument, es gebe zu viele Ärzte, was die Kosten in der gesetzlichen Krankenversicherung in die Höhe treiben würde, wurde die 68er-Regelung eingeführt. Alle Versuche, die Regelung mit der Begründung zu kippen, dass das Grundrecht auf freie Berufsausübung verletzt werde, scheiterten. Das Bundesverfassungsgericht stellte hierzu fest, dass die "Regeln auch dazu dienen, die Gefährdungen, die von älteren, nicht mehr voll leistungsfähigen Berufstätigen ausgehen, einzudämmen. Hier geht es um Gefahren, die von nicht mehr leistungsfähigen Vertragsärzten für die Gesundheit der in den gesetzlichen Krankenversicherungen Versicherten ausgehen."

Die vom Bundesverfassungsgericht gelieferte Begründung ist ein Paradebeispiel für die Diskriminierung der unter die Altersgrenze fallenden Ärzte. Der Hinweis auf das Sicherheitsrisiko bei älteren Ärzten greift spätestens ab Inkrafttreten des neuen Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes nicht mehr.

1.2
Im neu gefassten § 95 Abs. 7 SGB V heißt es, dass die Zulassungsbeendigung für das 68. Lebensjahr dann nicht gilt, sofern der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 festgestellt hat, dass in einem bestimmten Gebiet eines Zulassungsbezirks eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist.

Das Vorliegen einer Unterversorgung ist nach Nr. 29 der Bedarfsplanungsrichtlinie-Ärzte zu vermuten, wenn der Stand der ärztlichen Versorgung den in den Planungsblättern ausgewiesenen Bedarf um mehr als 25 v. H. unterschreitet. Ein Planungsbereich wird gesperrt, wenn der Versorgungsgrad 110 % erreicht.

1.3
Nach diesem Gesetz dürfen Vertragsärzte somit ohne Altersgrenze tätig sein und darüber hinaus mit über 55 Jahren eine Zulassung erhalten, sofern sie in einem unterversorgten Gebiet zum Einsatz kommen. Im überversorgten Gebiet soll der ältere Arzt ein Sicherheitsrisiko darstellen, im unterversorgten Gebiet nicht. Diese Differenzierung ist schizophren. Spätestens mit dem auf der europäischen Richtlinie basierenden allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (im Sprachgebrauch Antidiskriminierungsgesetz) dürfte sich die Altersbegrenzung bei Vertragsärzten nicht mehr rechtfertigen lassen, dient sie doch allein der Bedarfsteuerung und nicht der Erhaltung der Leistungsfähigkeit und Qualifikation. Da die Regelung in ein Individualrecht des Arztes eingreift, bedarf sie einer gewichtigen Rechtfertigung. Eine solche ist mit Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes schwerlich zu finden. Die bisherige gesetzliche Regelung dürfte kaum zur Rechtfertigung der Altersgrenze genügen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfte verletzt sein. Ist die Regelung gesetzeswidrig, stellt sich auch die Frage eines Schadensersatzes, sofern nicht Übergangsfristen geschaffen werden.

Die Gerichte sind bereits mit der Frage der Zulassung über das 68. Lebensjahr hinaus befasst. Zeitungsberichten zufolge soll der Europäische Gerichtshof noch in diesem Jahr über die Frage der Zulassung über das 68. Lebensjahr hinaus entscheiden.

2. Verlängerung

Augenblicklich ist die Verlängerung nur aus formalen Gründen möglich.

Der Arzt stellt einen Antrag beim zuständigen Zulassungsausschuss der zuständigen KV. Dieser Antrag muss beinhalten, dass der Arzt über das 68. Lebensjahr hinaus in eigener Praxis an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen möchte. Zugleich muss in dem Antrag klargestellt werden, dass dies nach dem neuen „VÄG“ möglich ist, wenn der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen festgestellt hat, dass in einem bestimmten Gebiet eines Zulassungsbezirks eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist.

Dieser Antrag wird dann vom Zulassungsausschuss an den Landesausschuss weitergeleitet. Letzterer hat zu prüfen, ob eine Unterversorgung droht. Anschließend wird das Ergebnis dem Zulassungsausschuss mitgeteilt, der daraufhin über den Antrag des Arztes entscheidet.

Wird dem Antrag wegen fehlender Unterversorgung nicht stattgegeben, ist Widerspruch einzulegen, wird auch diesem nicht abgeholfen, ist die Möglichkeit der Klage eröffnet. Widerspruch und Klage haben aufschiebende Wirkung.

Das Bayer. Landessozialgericht stellte kürzlich in einem Beschluss fest, dass der Widerspruch gegen den feststellenden Beendigungsbeschluss aufschiebende Wirkung entfaltet (Aktenzeichen: L 12 KA 835/06 KR ER). Das Gericht hob hierbei auf die Gesetzeslage ab, wonach auch dem Widerspruch oder der Klage gegen den gesetzesvollziehenden, feststellenden Ablehnungsbescheid aufschiebende Wirkung zuerkannt wird. Es sah keinen Anlass, hiervon abzuweichen.

Die Entscheidung des Landessozialgerichts öffnet somit die Möglichkeit, gegen den Feststellungs- und Beendigungsbeschluss der KV vorzugehen. Damit besteht die Zulassung bis zum rechts- und bestandskräftigen Abschluss des Rechtsbehelfs- und Klageverfahrens weiter.

Die Entscheidung gilt formal nur für das Bundesland Bayern.

Achtung! Neues EuGH-Urteil zum "Zwangsruhestand"!!! Lieb aktuell vom 28.10.2007

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