Vergütungsanspruch bei vertragswidrigem zahnärztlichem Verhalten?

von Lieb Rechtsanwälte

Nicht selten ist ein Patient mit dem Ergebnis etwa einer prothetischen Zahnversorgung nicht zufrieden. Im Anschluss entfacht sich ein Streit über den Vergütungsanspruch des Zahnarztes.

Der Bundesgerichtshof hat sich mit dieser Frage befasst und hierzu festgestellt:

1.

Bei einem (zahn-)ärztlichen Behandlungsvertrag setzt der Verlust des Vergütungsanspruchs wegen vertragswidrigen Verhaltens nach § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB nicht voraus, dass das vertragswidrige Verhalten als schwerwiegend oder als wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB anzusehen ist.

2.

Ein geringfügiges vertragswidriges Verhalten lässt die Pflicht, die bis zur Kündigung erbrachten Dienste zu vergüten, unberührt.

3.

Ein (zahn-)ärztlicher Behandlungsfehler kann vertragswidriges Verhalten im Sinne des § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB sein.

BGH, Urteil vom 29.03.2011 – VI ZR 133/10 –

Aus dem Tatbestand:

Die privatversicherte Patientin ließ sich bei dem beklagten Zahnarzt bei gleichzeitiger Korrektur der Bisshöhe Brücken und Kronen gegen ein Pauschalhonorar erstellen. Nachdem die Kronen und Brücken provisorisch eingesetzt worden waren, äußerte die Patientin Unzufriedenheit. Sie teilte sodann mit, dass sie sich für eine anderweitige Neuherstellung entschieden habe. Gleichzeitig zahlte sie den noch offenen Restbetrag auf das vereinbarte Honorar. Später verlangte sie die Rückerstattung des gezahlten Honorars. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der BGH gab der Revision statt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der BGH geht davon aus, dass der Vertrag über die Sanierung des Gebisses der Patientin insgesamt als Dienstvertrag über Dienste höherer Art anzusehen ist. Der Zahnarzt verspreche nämlich regelmäßig nur eine den allgemeinen Grundsätzen der zahnärztlichen Wissenschaft entsprechende Behandlung nicht aber ihr Gelingen. Zwar sei im Rahmen dieses Vertrages auch eine technische Anfertigung des Zahnersatzes geschuldet, für die der Zahnarzt wegen des werkvertraglichen Charakters nach werkvertraglichen Gewährleistungsvorschriften einzustehen habe.

Die Mitteilung der Patientin, sie wolle das restliche Honorar überweisen und die Neuanfertigung anderweitig durchführen lassen, sah der BGH als Kündigung des Dienstverhältnisses an.

Nach § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB steht dem Dienstverpflichteten (Zahnarzt), wenn er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Dienstberechtigten (Patienten) veranlasst hat, kein Vergütungsanspruch zu, soweit seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den Dienstberechtigten kein Interesse mehr haben. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trifft den Dienstberechtigten, weil er sich gegenüber der grundsätzlichen Vergütungspflicht des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB auf eine Ausnahme beruft. Ein vertragswidriges Verhalten im Sinne dieser Vorschrift setzt schuldhaftes Verhalten im Sinne der §§ 276, 278 BGB voraus. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es, so der BGH, jedoch nicht erforderlich, dass das vertragswidrige Verhalten als schwerwiegend oder als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB anzusehen ist. Eine solche Beschränkung auf vertragswidriges Verhalten ist für Kündigungen eines ärztlichen Behandlungsvertrages, der im Regelfall durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt wird, nicht gerechtfertigt.

Dies bedeutet nach Auffassung des BGH allerdings nicht, dass jeder geringfügige Vertragsverstoß des Dienstverpflichteten den Entgeltanspruch entfallen lässt. Dies ergibt sich aus dem § 242 BGB zu entnehmenden Übermaßverbot, wonach bestimmte schwerwiegende Rechtsfolgen bei geringfügigen Vertragsverletzungen nicht eintreten. Ob ein vertragswidriges Verhalten des Zahnarztes im Streitfall vorlag, musste mangels entsprechender Feststellungen seitens des Berufungsgerichts in der Revision offen bleiben.

Ebenso hat das Berufungsgericht noch Feststellung zu treffen, ob und ggf. inwieweit die Leistungen des Zahnarztes ohne Interesse für die Patientin waren bzw. eine Nachbehandlung auf Leistungen des Zahnarztes hätte aufbauen oder durch eine Nachbesserung des gefertigten Zahnersatzes Arbeit gegenüber einer Neuherstellung hätte ersparen können. In diesem Zusammenhang stellte der BGH fest, dass das Interesse der Patientin an der Leistung des Zahnarztes nur weggefallen sei, soweit die Patientin die Arbeiten des Zahnarztes nicht mehr wirtschaftlich verwerten konnte, sie also für sie nutzlos geworden waren. Es genüge zum einen nicht, dass die Leistung objektiv wertlos ist, wenn der Dienstberechtigte sie gleichwohl nutzt, zum anderen aber auch nicht, dass der Dienstberechtigte sie nicht nutzt, obwohl er sie wirtschaftlich verwerten könnte.

 

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