Verbrauchswiderruf: Auch wirtschaftliche Härten begründen nicht den Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB
von Lieb Rechtsanwälte
Ein Beitrag von RA Dr. Klaus Lieb
Nach § 312g Abs. 1 BGB steht dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Fernabsatzverträge sind gemäß § 312c BGB-Verträge, bei denen der Unternehmer der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsabschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel wie etwa Briefe, Telefonanrufe Telekopien, E-Mails, SMS verwendet.
Das verbraucherschützende Widerrufsrecht als zwingendes Recht sollte allen Unternehmern langsam bekannt sein. Gleichwohl geschieht es immer wieder in der Praxis, dass Unternehmer den Verbraucher nicht oder nicht ausreichend belehren. Im Einzelfall mag neben der Unkenntnis oder Nachlässigkeit, das Vertrauen in die Seriosität des Verbrauchers oder das Drängen des Verbrauchers auf sofortiges Tätigwerden verantwortlich sein. Nachfolgender Fall zeigt die Folgen auf:
Der Verbraucher beauftragte den Architekten per E-Mail mit der Erstellung eines Ausführungsplanung und der Überarbeitung eines bereits vorliegenden Genehmigungsplanung. Das Angebot des Architekten vom selben Tage erhielt keine Widerrufsbelehrung. Der Auftraggeber widerrief den Vertrag, nachdem der Architekt die geforderten Leistungen erbracht hatte. Gleichzeitig verlangte er die Rückzahlung der geleisteten Abschlagszahlungen. Den Vertrag mit dem vorherigen mit Planungsleistungen befassten Architekten hatte der Verbraucher in gleicher Weise widerrufen.
Das Landgericht Frankfurt verurteilte den Architekten auf Rückerstattung des vereinnahmten Honorars. Die hiergegen gerichtete Berufung des Architekten hatte vor dem Oberlandesgericht Frankfurt keinen Erfolg. Das OLG stellte mit Beschluss vom 30.01.2024 – 21 U 49/23-hierzu fest:
Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handele sich um einen Fernabsatzvertrag nach § 312c BGB. Die Ausübung des Widerrufsrechts sei auch nicht wegen unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB verwehrt. Die der Umsetzung der Verbraucherschutzrichtlinie dienenden Gesetzesregelungen sähen keine Einzelfallbetrachtung etwaigen Wissens des Verbrauchers vor (im vorliegenden Fall war der Verbraucher ein Rechtsanwalt, besaß nach der Entscheidung somit grundsätzlich Kenntnis von einem Widerrufsrecht sowie bei unterlassener Belehrung von einer verlängerten Widerrufsfrist). Es komme auch keinen Wertersatz wegen ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht. Eine Korrektur über § 242 BGB sei nur in sehr engen Grenzen zuzulassen. Vorliegend bestünden keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte, dass der Verbraucher systematisch eine betrügerische Absicht sich von vornherein Leistungen ohne Vergütungspflicht erschleichen wollte. Ebenso wenig genüge allein die Verwertung der Leistung etwa im Zusammenhang mit der Erlangung der Baugenehmigung für die Begründung eines Vertrauenstatbestandes.
Praxishinweis:
Der Unternehmer tut gut daran, den Verbraucher in ordnungsgemäßer Weise über das Recht des Widerrufs zu belehren und die im Gesetz vorgesehene Vierzehntagesfrist für einen möglichen Widerspruch abzuwarten. Eilt es dem Verbraucher, hat sich der Unternehmer den Verzicht auf das Widerspruchsrecht schriftlich bestätigen lassen. Der Unternehmer hat es in der Hand, dass der Verbraucherwiderruf nicht zur Masche wird, um an Leistungen ohne Vergütungspflicht zu gelangen.
Das Muster-Widerrufsformular findet sich in Anl. 2 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch.
Dr. Klaus Lieb
Rechtsanwalt
Quelle IBR 2024/2220