Tätowierungen am Arbeitsplatz? – Es kommt darauf an
von Lieb Rechtsanwälte
Tätowierungen sind heutzutage sehr verbreitet und für viele ein wichtiger Bestandteil der persönlichen Entwicklung und Ausdrucksweise. Aber wie sieht die rechtliche Situation im Rahmen des Arbeitsverhältnisses aus? Nun, es kommt darauf an.
Zunächst ist zwischen dem Bewerbungsprozess und dem bestehenden Arbeitsverhältnis zu unterscheiden. Im Rahmen des Bewerbungsprozesses gilt der Grundsatz der Privatautonomie, welcher u.a. aus Art. 2 Abs. 1 GG hervorgeht, aufgrund dessen es dem Arbeitgeber freisteht, sich den Arbeitnehmer auszusuchen. Lehnt der Arbeitsgeber den Bewerber wegen einer Tätowierung aufgrund von ästhetischen Gründen ab, so ist dies nicht von § 1 AGG gedeckt. Anders wird es jedoch bewertet, wenn die Tätowierung ein religiöses Symbol oder ein Motiv der sexuellen Selbstbestimmung darstellt, und der Bewerber aufgrund dessen abgelehnt wird. Dies stellt eine verbotene Diskriminierung i.S.d. AGG dar.
Der von der Rechtsprechung anerkannte Gleichbehandlungsgrundsatz hingegen wird erst mit Abschluss eines wirksamen Arbeitsverhältnisses wirksam und findet im Rahmen des Bewerbungsprozesses keine Anwendung. Die Ablehnung eines Bewerbers aufgrund seiner Tätowierungen kann zwar mittelbar zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts i.S.d. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG führen. Ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 BGB kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn sich der Arbeitsgeber schon fast im strafbaren Bereich befindet, indem er bspw. den Bewerber in dessen Ehre verletzt. Eine Ablehnung aufgrund von ästhetischen Gründen begründet einen solchen Schadensersatzanspruch somit nicht. Relevant ist in diesem Sinne auch, inwieweit dem Arbeitgeber ein Fragerecht gegenüber dem Bewerber bzgl. möglicher Tätowierungen zusteht. Grundsätzlich erstreckt sich das Fragerecht des Arbeitgebers nur auf solche Fragen und einen solchen Umfang, indem er ein berechtigtes Informationsinteresse aufweisen kann. Im Rahmen von Tätowierungen am Arbeitsplatz kann dies dann der Fall sein, wenn der künftige Arbeitnehmer intensiven Kundenkontakt hat und der Arbeitgeber befürchtet, ihm würde aufgrund der Tätowierungen des Arbeitnehmers, ein Nachteil entstehen. Der Arbeitgeber darf jedoch keine Fragen stellen, die in die Intimsphäre des Bewerbers eingreifen. In einem solchen Fall hat der Bewerber nicht nur ein Schweigerecht, sondern ein Recht zur Lüge.
Anders verhält es sich, wenn sich der Arbeitnehmer im Laufe eines bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Tätowierung stechen lässt, die deutlich sichtbar ist. Hier steht dem Arbeitgeber i.d.R. ein Weisungsrecht nach § 106 GewO zu, aufgrund dessen er den Arbeitnehmer anweisen kann, die Tätowierungen abzudecken. In welchem Maß dies geschehen soll ist einerseits branchenabhängig, andererseits muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Kommt der Arbeitnehmer den Weisungen des Arbeitsgebers nicht nach, so kann dies eine Arbeitspflichtverletzung darstellen. Der Arbeitsgeber ist dann berechtigt, den Arbeitnehmer abzumahnen und kann diesem gegenüber, als letzte Konsequenz, die Kündigung aussprechen.
Einen Sonderfall stellt der öffentliche Dienst dar. Besonders bei Polizeibeamten finden Tätowierungen immer mehr Aufmerksamkeit. Der Staat, als Arbeitgeber der Polizei, hat die Sorge, dass aufgrund von großen und sichtbaren Tätowierungen, die Neutralität und Repräsentationsfunktion der im öffentlichen Dienst tätigen Beamten nicht mehr gewahrt werden kann. Immer mehr Gerichte tendieren in ihrer Rechtsprechung jedoch dazu, dass ein Bewerber für den öffentlichen Dienst nicht allein aufgrund der Größe seiner Tätowierung abgelehnt werden darf. Deutlich relevanter hingegen ist das Motiv der Tätowierung, denn die Beamten im öffentlichen Dienst haben eine politische Loyalitätspflicht gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. So kann eine Tätowierung mit einem gewaltverherrlichenden oder verfassungsfeindlichen Motiv einen Verstoß gegen die politische Loyalitätspflicht darstellen und zur Kündigung führen. Dies wurde durch die Rechtsprechung des OVG Münster, 17.2.2016-6 A 2595/14 bestätigt.
Tätowierungen werden in unserer Gesellschaft immer präsenter und lassen sich somit auch am Arbeitsplatz nicht gänzlich vermeiden. Es ist wichtig, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich im Umgang mit Tätowierungen am Arbeitsplatz einig sind, damit ein harmonisches Arbeitsklima herrschen kann. Es kommt somit immer auf den Einzelfall an.