Strafbarkeit von Deepfakes: Bundesrat und BRAK fordern neue Strafnorm
von Lieb Rechtsanwälte
Ein Beitrag von RAin Yağmur Depboylu und Dipl.-Uni. Jur. Selin Günerli
Die Gefahren von Deepfakes sind in aller Munde und führen zu kontroversen Diskussionen über mögliche strafrechtliche Konsequenzen. Im vergangenen Jahr sorgte ein besonders erschreckender Fall in Spanien für Aufsehen: Über WhatsApp wurden realistisch wirkende Nacktaufnahmen von 20 Mädchen in Gruppenchats verbreitet – sogenannte Deepnudes, die mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) erzeugt wurden. Dieser Fall steht beispielhaft für ein wachsendes Problem: Bereits 2019 berichtete ein Cybersicherheitsunternehmen, dass in 95 Prozent aller Deepfake-Fälle pornografische Inhalte verbreitet wurden.
Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat auf Initiative Bayerns einen Gesetzentwurf zur Einführung eines neuen § 201b StGB vorgelegt. Dieser sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Deepfakes vor. Der Vorschlag stößt jedoch auf Kritik, insbesondere wegen seiner niedrigen Eingriffsschwelle und verfassungsrechtlicher Bedenken hinsichtlich der Formulierung des Tatbestands.
Die Bundesregierung lehnt den Entwurf zu einer Neuregelung ab und verweist auf bestehende Strafnormen. Allerdings weist die aktuelle Rechtslage in diesem Bereich erhebliche Lücken auf. Der bestehende § 201a StGB, der den höchstpersönlichen Lebensbereich durch Bildaufnahmen schützt, greift bei Deepfakes meist ins Leere, da er sich ausschließlich auf reale Bildaufnahmen bezieht. Auch andere Strafnormen wie der Beleidigungstatbestand des § 185 StGB erweisen sich als unzureichend, da sie den spezifischen Unrechtsgehalt von Deepfakes nicht vollständig erfassen. Zwar bieten die §§ 184b und 184c StGB einen Schutz vor kinder- und jugendpornographischen Inhalten, und § 187 StGB erfasst die Verleumdung durch unwahre Tatsachenbehauptungen, doch bleiben wesentliche Aspekte der Deepfake-Problematik strafrechtlich unberücksichtigt.
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat nun einen vermittelnden Vorschlag vorgelegt: Sie plädiert für eine Ergänzung des § 201a StGB, wonach die Verbreitung von wirklichkeitsgetreuen KI-Bildern nur dann strafbar sein soll, wenn diese geeignet sind, dem Abgebildeten erheblich zu schaden. Anders als der Bundesratsentwurf, der bereits eine einfache Persönlichkeitsrechtsverletzung genügen lässt, setzt die BRAK damit eine höhere Schwelle.
Die rechtliche Bewältigung der Deepfake-Problematik wird durch verschiedene Faktoren erschwert. Dazu gehören Abgrenzungsprobleme zwischen legitimer Bildbearbeitung und strafwürdigen Manipulationen sowie die technischen Herausforderungen beim Nachweis von Deepfakes. Auch die internationale Dimension der Verbreitung solcher Inhalte führt zu Jurisdiktionskonflikten und Durchsetzungsproblemen. Für einen effektiven Umgang mit Deepfakes erscheint ein mehrdimensionaler Ansatz notwendig. Neben der Entwicklung von KI-basierten Erkennungssystemen spielen auch Aufklärung und Medienkompetenz eine wichtige Rolle. Betroffenen wird empfohlen, sich umgehend rechtliche Beratung zu suchen und die Rechtsverletzung sorgfältig zu dokumentieren. Dabei sollten neben strafrechtlichen auch zivilrechtliche Ansprüche geprüft werden.
Die zukünftige strafrechtliche Regulierung von Deepfakes steht vor der Herausforderung, einen ausgewogenen Ansatz zu finden, der sowohl einen effektiven Opferschutz gewährleistet als auch die Wahrung von Grundrechten sicherstellt. Der aktuelle Gesetzentwurf des Bundesrates stellt einen wichtigen Schritt in diese Richtung dar, auch wenn die praktische Umsetzung und Durchsetzung weiterhin große Herausforderungen bergen wird.