Schockschäden als Gesundheitsverletzung
von Lieb Rechtsanwälte
Bei der Beurteilung der Frage, ob psychische Beeinträchtigungen infolge des Unfalltodes naher Angehöriger eine Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen, kommt dem Umstand maßgebliche Bedeutung zu, ob die Beeinträchtigungen auf die direkte Beteiligung des "Schockgeschädigten" an dem Unfall oder das Miterleben des Unfalls zurückzuführen oder ob sie durch den Erhalt einer Unfallnachricht ausgelöst worden sind (BGH Urteil vom 27.01.2015, Az.: VI ZR 548/12).
Psychische Beeinträchtigungen infolge des Todes naher Angehöriger, mögen sie auch für die körperliche Befindlichkeit medizinisch relevant sein, können nur dann als Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB angesehen werden, wenn sie pathologisch fassbar sind und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene bei der Benachrichtigung vom tödlichen Unfall eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind.
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Kläger nicht lediglich durch Benachrichtigung vom Tod seiner Ehefrau erfahren und deshalb einen tief empfundenen Trauerfall bewältigen mmüssen, sondern den tödlich verlaufenen Unfall seiner Ehefrau direkt miterlebt und war selbst ebenfalls in dem Unfallgeschehen mitverwickelt. Der Kläger hatte durch einen Blick in den Rückspiegel mit angesehen, wie seine Frau auf ihrem Motorrad mit voller Wucht von dem Fahrzeug des Unfallverursachers erfasst wurde, nachdem dieser den Kläger nur um Haaresbreite verfehlt hatte. Der BGH ging daher davon aus, dass der Kläger zum einen selbst unmittelbare Lebensgefahr für sich wahrgenommen wahrgenommen hatte und zum anderen akustisch und optisch miterlebte, wie seine Ehefrau bei einer sehr hohen Kollisionsgeschwindigkeit als Motoradfahrerin nahezu ungeschützt von einem Auto erfasst und getötet wurde. Ein solches Erlebnis ist hinsichtlich der Intensität der von ihm ausgehenden seelischen Erschütterungen mit dem Erhalt einer Unfallnachricht nicht zu vergleichen, weshalb der BGH anders, als die Vorinstanz von einem Schockschaden im Sinne eines Gesundheitsschadens ausging.
Dem Kläger wurde ärztlich zum Wohnungswechsel geraten, um die Bedingungen der psychischen Verarbeitung des Unfallereignisses zu verbessern. Er musste seinen Beruf aufgrund fortdauernder Angstzustände, Schweißausbrüche und Zittern im Straßenverkehr aufgeben, da er nicht mehr in der Lage war, ein Fahrzeug zu führen. Dies galt auch für das Motorradfahren. Die Vorinstanz verkannte hier, dass diese Beeinträchtigungen deutlich über die gesundheitlichen Auswirkungen hinaus gehen, denen Hinterbliebene bei der Benachrichtigung vom Unfalltod eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind.