Schmerzensgeld wegen Klopfen an Wohnungsdecke
von Lieb Rechtsanwälte
Ein Beitrag von RAin Christiane Pohl (FAin für Bau- und Architektenrecht)
Wiederholtes Klopfen an Wohnungsdecke wegen angeblicher Lärmbelästigung von oben stellt keine Notwehr dar, sondern löst Unterlassungsansprüche und Zahlung von Schmerzensgeld aus.
Vor dem Amtsgericht München stritten zwei Mieterinnen eines Mehrfamilienhauses wegen gegenseitiger Ruhestörung.
Die Klägerin behauptete, dass die unter ihr im Erdgeschoss wohnende Beklagte seit August 2022 begonnen habe, immer wieder mit einem Gegenstand an die Wohnungsdecke zu klopfen und es so im Zeitraum vom 24.10.2022 bis 04.04.2023 zu mehr als 500 Kopfattacken gekommen sei. Zudem habe die Beklagte mehrere Polizeieinsätze veranlasst. Dies hätte bei der Klägerin zu körperlichen Beschwerden und Angstzuständen geführt. Außerdem habe die Klägerin und ihr Ehemann ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Die Klägerin verklagte die Beklagte schließlich, das Klopfen mit einem Gegenstand an die Decke sowie die Behauptungen gegenüber Dritten, die Klägerin verursache in ihrer im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnung ruhestörenden Lärm, und zwar insbesondere durch den Betrieb einer Industrienähmaschine, zu unterlassen. Zudem forderte die Klägerin von der Beklagten ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 1.000 €.
Die Beklagte behauptete, aus Notwehr gegen die Decke geklopft zu haben, damit die Klägerin ihre Nähmaschine nicht weiter zu unmöglichen Zeiten zur Berufsausübung nutze.
Bereits außergerichtlich hatte sich die Beklagte im Sommer 2022 an die Gemeinde als Vermieterin des Mehrfamilienhauses gewandt und Lärmbelästigung durch den Betrieb einer Industrienähmaschine in der darüber liegenden Wohnung behauptet. Am 02.11.2022 wurden beide Wohnungen durch zwei Mitarbeiterinnen der Gemeinde besichtigt und festgestellt, dass die Nähmaschine in der Wohnung der Beklagte nicht zu hören war. Die Klägerin behauptete im Prozess, dass sie am 05.11.2022 die Industrienähmaschine aus der Wohnung verbracht habe.
Mit Urteil vom 18.08.2023, Az. 173 C 11834/23 gab das Amtsgericht München der Klage weitgehend statt und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung sowie zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 300 €.
Unstreitig habe die Beklagte mit einem Gegenstand gegen die Decke ihrer Wohnung geklopft. Nach Ansicht des Amtsgerichts München sind diese Klopfattacken der Beklagten nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Die Beklagte habe zum einen nicht nachgewiesen, dass aus der Wohnung der Klägerin störende Geräusche kommen. Aus den angehörten Tonbandaufnahmen konnte das Gericht lediglich ein starkes Rauschen hören, nicht jedoch für eine Nähmaschine charakteristische Geräusche. Entscheidend für das Gericht war jedoch, dass keine Situation vorliegt, die ein Klopfen der Beklagten rechtfertigt. Selbst wenn aus der Wohnung der Klägerin Geräusche dringen, dürfe die Beklagte nicht durch ständiges Klopfen reagieren. Nach Ansicht des Gerichts liegen die Voraussetzungen der Notwehr nicht vor. Die Beklagte hätte vielmehr, so das Gericht, ihrerseits gerichtlich gegen die Klägerin vorgehen und auf Unterlassung klagen müssen. Dies habe sie nicht getan.
Da Wiederholungsgefahr bestehe, habe die Klägerin einen Unterlassungsanspruch sowohl im Hinblick auf das Klopfen als auch wegen der Behauptung, dass von der Klägerin ruhestörender Lärm ausgehe.
Auch den Anspruch auf Schmerzensgeld hat das Gericht zuerkannt. Die Klägerin habe nachvollziehbar ausgeführt, dass sie aufgrund des Verhaltens der Beklagten und des ständigen Klopfens ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste und sich stressbedingte vegetative Beschwerden eingestellt haben. Das Gericht erachtete in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Beklagte ihrerseits von der Klägerin massiv gestört fühle und wegen Summen der Geräusche in ihrer Wohnung nicht mehr schlafen könne, einen Schmerzensgeldbetrag von 300 € als angemessen, aber auch ausreichend.
Das Urteil ist rechtskräftig.