Prozessführungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft bei Mängelrechten am Gemeinschaftseigentum

von Lieb Rechtsanwälte

Ausweislich einer Pressemitteilung vom 11.11.2022 hat der BGH mit Urteil vom 11.11.2022, Az. V ZR 213/21 entschieden, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auch nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum weiterhin durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen kann.

Nach der zum 01.12.2020 in Kraft getretenen Reform des Wohnungseigentumsgesetzes und dem ersatzlosen Wegfall des § 10 Absatz 6 WEG a.F. stellte sich die Frage, ob eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auch weiterhin Mängelrechte in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen kann. Im vom BGH entschiedenen Fall beschlossen die Wohnungseigentümer in zwei Eigentümerversammlungen im Mai 2014 und im Oktober 2015 mehrheitlich die gerichtliche Geltendmachung möglicher Ansprüche wegen Altlasten eines Grundstücks. Der BGH hat nun geklärt, dass Ansprüche aus den Erwerbsverträgen, die die Mängelbeseitigung betreffen, weiterhin durch Mehrheitsbeschluss „vergemeinschaftet“ werden können und dass dies zur Folge hat, dass die Prozessführungsbefugnis der Klägerin fortbesteht. § 9a Absatz 2 WEG n.F. erfasse laut BGH jedenfalls nicht die primären Mängelrechte der Wohnungseigentümer. Diese Ansprüche ergeben sich, so der BGH, nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum, sondern aus den individuellen Erwerbsverträgen, die die Wohnungseigentümer mit dem teilenden Eigentümer geschlossen haben, und erfordern keine einheitliche Rechtsverfolgung. Laut BGH werde eine Vergemeinschaftung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche der Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss durch § 9a Abs. 2 WEG andererseits nicht ausgeschlossen. Die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebe sich in der Sache unverändert aufgrund der Verwaltungsbefugnis für das gemeinschaftliche Eigentum sowie der in § 19 Absatz 2 Nr. 2 WEG geregelten Pflicht zu dessen Erhaltung. Hierfür spreche auch die Gesetzesbegründung, der zufolge die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Bauträgerrecht, nach der eine Vergemeinschaftung von werkvertraglichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche möglich war, fortgelten solle. Entsprechendes müsse für die Vergemeinschaftung von kaufrechtlichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen gelten. Nur diese Sichtweise trage der nach der Reform unveränderten Interessenlage der Wohnungseigentümer hinreichend Rechnung.

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