Patientenwille ist zu achten

von Lieb Rechtsanwälte

Der BGH hat mit Grundsatzurteil (Az.: 2 StR 454/09) bestätigt, dass auch mündliche Patientenverfügungen verbindlich sind.

In dem höchstrichterlich entschiedenen Fall ging es um das Sterben einer 76-jährigen Frau, die nach einer Hirnblutung bereits fünf Jahre im Wachkoma lag, ohne dass noch eine Besserung ihres Gesundheitszustands zu erwarten war. Ihr Wille, in so einer Situation zu sterben, war bekannt. Ihr Arzt hielt eine künstliche Ernährung nicht mehr für medizinisch indiziert, sodass das Heim zunächst zustimmte, dass die zur Betreuerin berufene Tochter die künstliche Ernährung beenden darf. Das Heim zog seine Zustimmung am Folgetag wieder zurück. Um eine Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung zu verhindern, schnitt die Tochter, nachdem sie zuvor mit ihrem Anwalt telefoniert hatte, den Schlauch der Magensonde direkt oberhalb der Bauchdecke durch. In einem Krankenhaus wurde zwar eine neue Sonde gelegt, die Patientin verstarb jedoch zwei Wochen später an Herzversagen.

Das Landgericht Fulda hatte das Vorgehen als "rechtswidrigen versuchten Totschlag" gewertet, wobei die Tochter freigesprochen wurde, weil sie sich auf ihren Anwalt verlassen durfte. Der Anwalt wurde dagegen zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Der Anwalt sei zwar von der Rechtmäßigkeit seines Handelns ausgegangen, hätte aber als Fachmann einen "Erlaubnisirrtum" vermeiden können.

Der BGH sah dies anders. Ein Irrtum lag nicht vor. Auch war die "aktive Verhinderung der Wiederaufnahme der Ernährung" von Recht und Gesetz gedeckt. Erlaubt sei nicht nur ein vom Patienten mutmaßlich gewünschter Abbruch der künstlichen Ernährung, "sondern auch ein aktives Tun, das der Beendigung oder Verhinderung einer von ihr nicht oder nicht mehr gewollten Behandlung dient". Dies habe das im September 2009 in Kraft getretene Patientenverfügungsgesetz ausdrücklich bestätigt, habe aber auch vorher schon gegolten.

Die rein äußerliche Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen wird – so der BGH - der Situation am Ende des Lebens nicht gerecht. Strafrechtlich zu unterscheiden sei vielmehr "zwischen der auf eine Lebensbeendigung gerichteten Tötung und Verhaltensweisen, die dem krankheitsbedingten Sterbenlassen mit Einwilligung des Betroffenen seinen Lauf lassen".

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