Nachbesetzungsverfahren bei einer Berufsausübungsgemeinschaft: Zeitliche Komponente des Fortführungswillens als weitere Voraussetzung

von Lieb Rechtsanwälte

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts konkretisierte im Jahre 2013 die Voraussetzungen für die Praxisnachfolge. Mit den Entscheidungen vom 20.03.2013-  B 6 KA 19/12 R-, 05.06.2013 – B 6 KA 2/13 B- und 11.12.2013 –B 6 KA 49/12 R- bestätigte er seine Rechtsprechung, wonach eine fortführungsfähige Praxis im Sinne eines Praxissubtrats vorliegen müsse. In der Entscheidung vom 20.03.2013 – B 6 KA 19/12 R – forderte er, dass ein Nachfolger in räumlicher Hinsicht die Praxis fortführen, mithin in den bisherigen Räumen unter Beibehaltung des bisherigen Personals und der bisherigen Ausstattung des Abgebers tätig sein müsse.

 

Mit Urteil vom 11.12.2013 – B 6 KA 49/12 R – stellte das Bundessozialgericht des Weiteren darauf ab, dass als Zulassungsvoraussetzung im Nachbesetzungsverfahren auch der Wille hinzukommen müsse, die zu übernehmende Praxis bzw. den Praxisanteil fortzuführen. Ein Fortführungswille sei regelmäßig auf einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit durch den Nachfolger anzunehmen. Dass die Absicht, so das Bundessozialgericht, die Praxis nur für einen beliebig kurzen Zeitraum fortzuführen, nicht genügen könne, folge bereits aus dem Sinn der Regelung der Nachbesetzung, der u. a. darin bestehe, eine Kommerzialisierung von Vertragsarztsitzen zu vermeiden. Dem Wortlaut des § 103 SGB V seien Hinweise für eine weitere Konkretisierung des Zeitraums, auf den sich der Fortführungswille zu erstrecken habe, nicht zu entnehmen. Allerdings impliziere der Begriff der Fortführung nach der Rechtsprechung des Senats bereits eine weitestmögliche Kontinuität des Praxisbetriebs. Dabei beinhalte eine Praxisfortführung sowohl eine räumliche wie auch eine personelle Komponente. Eine Praxisfortführung werde nicht bereits dann angestrebt, wenn lediglich die vertragsärztliche Tätigkeit im medizinischen Fachgebiet und im Planungsbereich des ausscheidenden Vertragsarztes angestrebt werde. Nach Auffassung des Senats sei es im Regelfall sachgerecht, den Fortführungswillen auf einen Zeitraum von fünf Jahren – gerechnet ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit durch den Nachfolger – zu beziehen. Bei der Bemessung der Frist auf fünf Jahre orientiere sich der Senat an § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 5 SGB V, wonach ein Bewerber im Rahmen der Auswahl bei der Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes privilegiert sei, der mindestens fünf Jahre in einem unterversorgten Gebiet vertragsärztlich tätig war. Daraus könnte geschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine fünfjährige vertragsärztliche Tätigkeit als versorgungsrelevant einstufe. Mit dem pauschalierenden Abstellen auf einen Zeitraum von fünf Jahren, auf den sich der Wille zur Praxisfortführung im Regelfall beziehen müsse, werde eine problematische Ungleichbehandlung bei der Nachbesetzung von Praxissitzen mit Ärzten unterschiedlicher Fachgebiete vermieden. Damit schließe der Senat nicht aus, dass im Einzelfall Konstellationen denkbar erscheinen, in denen ein kürzerer Zeitraum ausreichend sein könne.

 

Praxishinweis:

Im streitgegenständlichen Fall ging es um die Zulassung einer 71-jährigen Ärztin als Wunschkandidatin der beigeladenen Berufsausübungsgemeinschaft. In diesem Einzelfall  könnte ein „Zulassungshandel“ zu vermuten sein, welcher im Hinblick auf das Kommerzialisierungsverbot einzudämmen ist. Andererseits führt das Bundessozialgericht mit der Forderung nach einer fünfjährigen Fortführung der Praxis bei Bewerbern ab einem bestimmten Lebensalter faktisch zur Ungeeignetheit im Nachbesetzungsverfahren. Dies bedeutete eine unzulässige Diskriminierung wegen des Lebensalters.

 

Angesichts dieser Rechtsprechung könnte ein Zulassungsverzicht vor Ablauf der fünfjährigen Tätigkeit zu Gunsten der Anstellung bei einem anderen Vertragsarzt in dessen Praxis oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum problematisch sein.

Quelle: ZMGR 2014, 202 ff und 149 ff

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