MVZ: Bewerbung um einen Vertragsarztsitz ohne konkreten Bewerber

von Lieb Rechtsanwälte

Nach § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V hat der Zulassungsausschuss bei der Auswahl der Bewerber folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  • Die berufliche Eignung,

  • das Approbationsalter,

  • die Dauer der ärztlichen Tätigkeit,

  • eine mindestens fünf Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss nach § 100 Abs. 1 SGB V das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat,

  • ob der Bewerber Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes ist,

  • ob der Bewerber ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde,

  • ob der Bewerber bereit ist, besondere Versorgungsbedürfnisse, die in der Ausschreibung der Kassenärztlichen Vereinigung definiert worden sind, zu erfüllen,

  • Belange von Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Versorgung.

Da die Bewerbung auf eine ausgeschriebene Zulassung personengebunden ist, hat der Zulassungsausschuss die Eignung und Qualifikation des bewerbenden Arztes im Vergleich zu Mitbewerbern zu prüfen. Soweit das MVZ einen anzustellenden Arzt als Bewerber benennen kann, ist dieser im Vergleich zu anderen Bewerbern im Auswahlverfahren gleichrangig zu behandeln.

Für das Auswahlverfahren ergeben sich für das MVZ nach § 103 Abs. 4 SGB V folgende Fallgestaltungen:

  • Liegt die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte im MVZ bei Ärzten, ist der im MVZ anzustellende Arzt mit anderen Bewerbern gleichrangig zu behandeln.

  • Liegt die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte nicht bei Ärzten, ist der im MVZ anzustellende Arzt im Vergleich zu den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen.

  • Bei einem am 31.12.2011 bereits zugelassenen MVZ ist ein anzustellender Arzt mit anderen Bewerbern gleichrangig zu behandeln, auch wenn zu diesem Zeitpunkt bereits die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei den dortigen Vertragsärzten lag.

Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz hat vorstehende Auswahlkriterien zugunsten des MVZ abgeändert. Diesen wird nunmehr ermöglicht, sich auch ohne konkrete Bewerber um einen Vertragsarztsitz bewerben zu können. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu:

„Für ein MVZ sollen diese bisherigen Auswahlkriterien nicht gelten, sofern das MVZ mit der Bewerbung ein besonderes Versorgungsangebot bietet. Bewerben sich MVZ auf eine ausgeschriebene Zulassung, können sie dies bisher nur, wenn sie im Nachbesetzungsverfahren bereits einen Arzt vorweisen können, weil im Rahmen der vom Zulassungsausschuss zu treffenden Auswahlentscheidung nur personenbezogene Kriterien berücksichtigt werden. In der Realität ist es häufig der Fall, dass MVZ erst dann einen Arzt akquirieren, wenn sie tatsächlich auch eine Zulassung bzw. Anstellungsgenehmigung haben. Daher soll der Zulassungsausschuss bei der Nachbesetzung von Zulassungen, auf die sich ein MVZ bewirbt, auch berücksichtigen können, inwieweit durch die Erteilung der Zulassung das besondere Versorgungsspektrum des MVZ zugunsten der Patientenversorgung verbessert wird. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mit der neuen Zulassung ein besonderes Versorgungskonzept des MVZ ermöglicht oder ergänzt wird. MVZ erfüllen als eigenständige Leistungserbringer einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Versicherten. Insbesondere soweit das MVZ ein fachübergreifendes ärztliches Leistungsspektrum anbietet, steht dabei die „Versorgung unter einem Dach“ als Leistungserbringungszweck beim MVZ im Vordergrund. Um diesem Versorgungszweck Rechnung zu tragen, bedarf es einer Regelung, die es dem MVZ ermöglicht, sich mit seinem besonderen Versorgungskonzept auf einen ausgeschriebenen Vertragsarztsitz zu bewerben. Im Nachbesetzungsverfahren kann daher auch das besondere Versorgungsangebot eines MVZ geprüft werden.“

Nach der Gesetzesbegründung könnte man meinen, dass neben den bisherigen persönlichen Auswahlkriterien der Aspekt eines besonderen Versorgungsangebots zusätzlich zu berücksichtigen sei. Hingegen verstehen die KVen die neue Regelung so, dass dem MVZ das Recht eingeräumt wird, sich auch ohne konkreten Bewerber auf offene Versorgungssitze zu bewerben. Eine Auswahl des am besten geeigneten Bewerbers findet dann zugunsten des MVZ nicht mehr statt.

Hinweis:

Mit der neuen Regelung werden MVZ gegenüber Einzelpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften bevorzugt. Während letztere einen geeigneten Bewerber vorhalten müssen, sind die MVZ unter der Vorgabe eines besonderen Versorgungsangebots hiervon befreit. Dies dürfte mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung schwerlich zu vereinbaren sein.

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