"Master of Science Kieferorthopädie"

von Lieb Rechtsanwälte

1. Die Bestimmungen des Heilberufsgesetzes NRW über die Führung von Gebietsbezeichnungen, Teilgebietsbezeichnungen oder Zusatzbezeichnungen durch Kammerangehörige sind Marktverhaltensregeln i.S. des § 4 Nr. 11 UWG.

2. Die Führung des von einer österreichischen Universität verliehenen Grades "Master of Science Kieferorthopädie" verstößt nicht gegen §§ 33, 35 Abs. 1 HeilberufsG NRW.

3. Eine objektiv richtige Angabe kann irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richtet, gleichwohl zu einer Fehlvorstellung führt, die geeignet ist, das Kaufverhalten oder die Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Dienstleistung zu beeinflussen. Beruht die Täuschung des Verkehrs insoweit lediglich auf dem Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe, ist für die Anwendung von § 5 UWG grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote als im Fall einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich. Zudem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 22.04.1999 - Az. I ZR 108/97- Tierheilpraktiker; BGH, Urteil vom 07.11.2002 - Az. I ZR 276/99 - Klosterbrauerei). Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG gilt eine Geschäftspraktik auch mit sachlich richtigen Angaben als irreführend, wenn sie zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignet ist. Gemäß Art. 13 Satz 2 der Richtlinie 2005/29/EG müssen vorgesehene Sanktionen verhältnismäßig sein.

4. Zwar kann das Führen von Zusätzen, die in Zusammenhang mit den geregelten (ärztlichen) Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern und damit zu einer Verunsicherung von Kranken führen, das Vertrauen in den Arztberuf untergraben und langfristig negative Auswirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.02.1992 - Az. 1 BvR 1531/90; BVerfG NJW 1993, 2988; BVerfG NJW 1994, 1591; BVerfG NJW 2001, 2788; BVerfG NJW 2002, 1864). Ergibt sich aber eine (mögliche) Irreführung der Verbraucher aus einer gewissen Vielfalt und Unübersichtlichkeit von Spezialisierungen im Gesundheitswesen und nicht aus einer besonderen Art der Präsentation einer bestimmten Bezeichnung (bzw. eines Zusatzes und/oder Titels), deren Führung nach den gesetzlichen Vorschriften zudem grundsätzlich erlaubt ist, kann allerdings von den angesprochenen Verkehrskreisen erwartet werden, dass sie sich über die Bedeutung der in Rede stehenden Bezeichnungen informieren. Sind Verbraucherinteressen durch die Führung einer solchen Bezeichnung nur unwesentlich berührt, überwiegt insoweit das Interesse (hier: der beklagten Zahnärztin), einen rechtmäßig erlangten akademischen Grad zu führen, das Interesse von Mitbewerbern, dass die Wahl des Zahnarztes nicht durch unrichtige Vorstellungen in der Bevölkerung über die mit der betreffenden Bezeichnung (hier: "Master of Science Kieferorthopädie") verbundene Qualifikation beeinflusst wird.

BGH, Urteil vom 18.03.2010 - Az. I ZR 172/08

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