LG Karlsruhe: Greenwashing - was ist eigentlich "klimaneutral"?
von Lieb Rechtsanwälte
Ein Beitrag von RAin Natalie Freiin von Beust
In Zeiten des Klimaschutzes, ESG und Nachhaltigkeit sind Green Claims in aller Munde und führen derzeit nicht nur innerhalb der Europäischen Behörden sondern auch vor den deutschen Gerichten zu großem Diskussionspotential. Nun hat das LG Karlsruhe mit Urteil vom 26.07.2023 (Az. 13 O 46/22 KfH) entschieden, dass derjenige der seine Produkte mit sog. Green Claims (freiwillige Umweltkennzeichnungen) auch dafür sorgen sollte, dass diese Produkte wirklich „grün“ sind. Leider ist dies ist nicht immer der Fall.
Eine Studie der EU-Kommission aus dem Jahre 2020 ergab, dass 53 % aller Green Claims vage, irreführend oder unfundiert sind, für 40 % der Angaben es gar keine Belege gibt und die Hälfte der Claims überhaupt nicht oder nur schwach überprüfbar ist. Zudem gibt es in der EU 230 Nachhaltigkeitskennzeichen und 100 grüne Energieetiketten mit sehr unterschiedlichen Transparenzanforderungen.
Für den Verbraucher ist ein Durchblick hier schier unmöglich, dabei sollte er bei seinen Kaufentscheidungen Klarheit und Sicherheit über die Angaben der Hersteller haben, und auch Unternehmen, die ernsthafte Anstrengungen bezüglich des Umweltschutzes tätigen, sollten für den Verbraucher leichter zu identifizieren sein. Schließlich sollen umweltbewusste Unternehmen auch für ihre Bemühungen insofern „belohnt“ werden, dass sie alleine mit ihren Umweltschutzmaßnahmen werben dürfen und ihre Konkurrenten keine unfundierten Behauptungen mehr zu Werbezwecken nutzen können. Ziel ist es, hiermit immer mehr Unternehmen einen Anreiz zu umweltbewussten Maßnahmen zu setzen und den Fortschritt in Richtung „grünes“ Europa voranzutreiben.
Dafür hat die EU-Kommission im März 2023 einen Richtlinienvorschlag veröffentlicht, der gemeinsame Kriterien gegen Greenwashing und irreführende Umweltaussagen beinhaltet (sog. Green Claims Richtlinie). Diese Richtlinie regelt kurz gesagt: „Keine Belege, keine Behauptungen“. So müssen alle freiwilligen Werbeaussagen über umweltbezogene Auswirkungen, Aspekte oder Leistungen von Produkten, Dienstleistungen und der Unternehmen selbst an einheitlichen Standards gemessen, unabhängig überprüft und wissenschaftlich belegt werden. Umweltaussagen, die unter bestehende oder künftige EU-Normen fallen (z.B. das EU-Bio-Logo), sind hiervon ausgeschlossen.
Um weitere Verwirrung und Zersplitterung auf dem Markt zu unterbinden, sollen Vorschriften und Kennzeichnungen klar harmonisiert und dürfen nur noch sachdienlich kommuniziert werden. D.h., dass Green Claims, die die gesamten Umweltauswirkungen des jeweiligen Produkts pauschal bewerten, nicht mehr zulässig sind. Vergleiche zwischen Produkten oder Organisationen sollen auf gleichwertigen Informationen und Daten beruhen. Ebenso sollen künftig neue öffentliche Kennzeichnungssysteme nur dann zulässig sein, wenn sie auf EU-Ebene entwickelt werden. Neue private Systeme müssen vorab genehmigt werden und nachweisen, dass ihre Umweltziele ehrgeiziger sind als diejenigen bestehender Systeme. Umweltkennzeichen müssen generell verlässlich, transparent und unabhängig geprüft sein und regelmäßig überprüft werden.
Mit dem Richtlinienvorschlag geht die EU-Kommission den ersten Schritt der Umsetzung des Europäischen Green Deals, mit welchem sie sich verpflichtete, sicherzustellen, dass Verbraucher informierte Entscheidungen treffen und somit eine aktive Rolle im ökologischen Wandel einnehmen können. Kleinstunternehmen (weniger als 10 Beschäftigte, Umsatz weniger als zwei Mio. Euro) sind vom Richtlinienvorschlag ausgenommen. Der Vorschlag der Green Claims - Richtlinie muss nun vom EU-Parlament und vom Europäischen Rat gebilligt werden und anschließend in nationales Recht umgesetzt werden.
Aber auch hierzulande gibt es bereits gerichtliche Entscheidungen zu „umweltbewussten“ Werbeaussagen. Dies zeigt das Urteil des LG Karlsruhe, 13 O 46/22 KfH, vom 26.07.2023, welches besagt, dass die Bewerbung von Drogerieprodukten (u.a. Flüssigseife, Sonnenmilch, Cremedusche) mit den Slogans „klimaneutral“ oder „umweltneutral“ zu unterlassen ist, wenn Verbraucher damit iSd. Art. 5 Abs . 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG in die Irre geführt werden. Dies ist gerade dann der Fall, wenn der Begriff „klimaneutral“ unter Vorenthaltung wesentlicher Informationen zum Verständnis des Begriffs verwendet wird, d.h. also insbesondere nicht auf eine Internetseite oder andere Informationsquelle verwiesen wird, die den Begriff erklärt. Außerdem erweckt der streitige Green Claim ein Verständnis, das nicht realitätsgetreu ist. Neben dem Begriff „klimaneutral“ wurde angegeben, dass die für die Produktion notwendigen Treibhausgase insofern kompensiert werden, als dass bestimmte Projekte von „ClimatePartner“ finanziell unterstützt werden, wie z.B. ein Waldschutzprojekt in Peru. Der Verbraucher erwartet, dass hiermit tatsächlich die Klimaneutralität des Produkts erzielt wird. Jedoch besitzt CO2 in der Atmosphäre eine Verweildauer, die die Laufzeit der Waldschutzprojekte um hunderte oder tausende Jahre übertrifft. Das CO2 wird durch das konkrete Projekt nur Jahrzehnte, nämlich bis zum Abschluss im Jahr 2040, gebunden. Dies entspricht nicht einem dauerhaften Ausgleich der CO2-Bilanz der mit dem Green Claim beworbenen Produkte. Auch der Begriff „umweltneutral“ wurde verwendet, ohne den bisherigen Stand der Wissenschaft zu berücksichtigen. Ein Verbraucher erwartet von Umweltneutralität, dass die Umweltbilanz des entsprechenden Produkts ausgeglichen ist. Dies trifft auf die jeweiligen Produkte nicht zu. Der von dem betroffenen Unternehmen übernommene GREENZERO-Ansatz erfasst bisher nicht alle Umweltauswirkungen, sondern nur CO2-Emissionen, Eutrophierung (Nährstoffeintrag), Versauerung, Sommersmog und Ozonabbau. Diese stellen nur fünf der 13 Wirkkategorien von Umweltbelastungen dar.
Mit der Kennzeichnung durch Green Claims ist also Vorsicht geboten. Das Urteil des LG Karlsruhe zeichnet den Weg für einen zuverlässigen Verbraucher- und Umweltschutz vor und trägt zur Wiederherstellung von Transparenz und Sicherheit auf dem Markt bei.