Keine Pflicht von Gewerbemietern, nach Kündigung eine fristgerechte Räumung zu bestätigen

von Lieb Rechtsanwälte

Der BGH hat mit Beschluss vom 28.06.2023, Az. XII ZB 537/22 entschieden, dass der auf künftige Räumung verklagte Mieter von Gewerberäumen zur Vermeidung der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht gehalten ist, sich auf Aufforderung des Vermieters zu seiner Bereitschaft zu erklären, die Mieträume bei Vertragsende an den Vermieter herauszugeben; allein durch sein Schweigen auf eine solche Aufforderung des Vermieters gebe der Mieter noch keine Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO.

Dem Beschluss des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger erklärten fristgerecht die ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses über von den Beklagten als Arztpraxis genutzte Räumlichkeiten zum 30.09.2022. Die Kläger planten eine Anschlussvermietung und forderten die Beklagten mit Anwaltsschreiben zweimal unter Fristsetzung auf, die fristgerechte Räumung zu bestätigen. Da die Beklagte nicht reagierten, erhoben die Kläger im Juli 2022 Klage auf künftige Räumung und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Beklagten führten Anfang August 2022 Gespräche mit der Nachmieterin und einigten sich mit dieser über die Übernahme von Mobiliar. Sie teilten dies dem Kläger zu 2) am 11.08.2022 mit und schlugen für die letzte Septemberwoche die Rückgabe der Räumlichkeiten vor. Nach Anordnung eines schriftlichen Vorverfahrens und Zustellung der Klage nebst Eingangsverfügung am 12.08.2022 erkannten die Beklagten die Ansprüche am 24.08.2022 unter Protest gegen die Kostenlast an. Das Landgericht Duisburg legte die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten auf. Das OLG Düsseldorf änderte auf sofortige Beschwerde der Beklagten hin die Kostenentscheidung und entschied, dass die Kläger die Kosten zu tragen haben, da die Beklagten die Klage noch innerhalb der Frist zur Abgabe der Verteidigungsanzeige und damit „sofort“ anerkannt sowie auch keine Veranlassung zur Klageerhebung den Klägern gegeben hätten. Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG.

Abweichend von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, sieht § 93 ZPO vor, dass dem Kläger die Prozesskosten zur Last fallen, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat.

Laut BGH hat das OLG die Voraussetzungen des § 93 ZPO ohne Rechtsfehler bejaht. Die Beklagten haben das innerhalb der zweiwöchigen Notfrist zur Abgabe einer Verteidigungsanzeige abgegebene Anerkenntnis sofort im Sinne des § 93 ZPO erklärt. Auch die Würdigung, die Beklagten hätten durch ihr Schweigen auf die zweimalige Aufforderung der Klägerin, ihre Bereitschaft zur Herausgabe der Mieträume bei Ende der Mietzeit zu bestätigen, keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, begegne keinen rechtlichen Bedenken. Teilweise werde in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, der Mieter gebe jedenfalls bei erkennbar begründeter Kündigung Veranlassung zur Klage, wenn er seine Bereitschaft, das Mietobjekt bei Ablauf der Mietzeit geräumt an den Vermieter herauszugeben, auf Aufforderung des Vermieters nicht erkläre. Nach anderer Auffassung, der sich das OLG Düsseldorf angeschlossen habe, gebe ein Mieter nicht allein deshalb Veranlassung zur Klageerhebung, weil er sich auf Nachfrage des Vermieters vor Fälligkeit des Räumungs- und Herausgabeanspruchs nicht zu seiner Erfüllungsbereitschaft erkläre, vielmehr bedürfe es insoweit eines aktiven Verhaltens des Mieters, aus dem der Vermieter den Schluss ziehen könne, dass der Mieter seiner Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe des Mietobjekts bei Ende der Mietzeit nicht nachkommen werde. Der BGH entschied nun, dass die zuletzt genannte Auffassung zutrifft.

Das Verfahren nach § 257 ZPO solle laut dem BGH dem Gläubiger des Räumungsanspruchs zwar eine frühzeitige Möglichkeit zur gerichtlichen Durchsetzung seines erst künftig fällig werdenden Anspruchs eröffnen, ihm solle aber das Kostenrisiko, das sich nach § 93 ZPO aus einem vom als Räumungsschuldner in Anspruch genommenen Besitzer gegebenenfalls erklärten sofortigen Anerkenntnis ergebe, nicht abgenommen werden. Gerade für Verfahren nach § 257 ZPO, mit denen über die allgemeinen Rechtsschutzmöglichkeiten hinaus Ansprüche auf künftige Räumung von nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten und Grundstücken schon vor Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht werden könnten, stelle die Regelung in § 93 ZPO ein wichtiges gesetzliches Korrektiv zur Wahrung der schutzwürdigen Belange des Schuldners dar.

Nach Auffassung des BGH bedarf es, weil der Schuldner Veranlassung zur Klageerhebung im Sinn von § 93 ZPO nur dann gegeben hat, wenn aus seinem Verhalten darauf zu schließen war, dass er seine Verpflichtungen bei Fälligkeit nicht erfüllen werde, aus ex-ante-Sicht des Gläubigers und späteren Klägers konkreter, aus dem Verhalten des Schuldners abzuleitender Anhaltspunkte dafür, dass dieser bei Fälligkeit nicht leisten werde. Ohne derartige Anhaltspunkte bestehe dagegen – gerade vor Fälligkeit des Anspruchs – regelmäßig kein Grund für Misstrauen an einem pflichtgemäßen Verhalten des Schuldners und damit für eine Klage zur vorsorglichen Durchsetzung des Anspruchs. Allein aus dem Schweigen des Mieters auf eine Aufforderung des Vermieters, sich über seine künftige Vertragstreue und Leistungsbereitschaft zu erklären, ergeben sich laut BGH derartige Anhaltspunkte grundsätzlich nicht. Aus dem Ausbleiben einer Reaktion könne ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht auf eine fehlende Erfüllungsbereitschaft geschlossen werden, weil dieses auf vielfältigen Gründen beruhen könne. Mangels einer Verpflichtung des Schuldners, sich zu seiner Erfüllungsbereitschaft zum Fälligkeitszeitpunkt zu erklären, sei, so der BGH, das bloße Schweigen auf eine derartige Anfrage mithin im Regelfall nicht als Ausdruck des Fehlens der Erfüllungsbereitschaft zu deuten.

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