Konkurrentenklage
von Lieb Rechtsanwälte
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.08.2004 – 1 BvR 378/00 – ist dem Vertragsarzt die Berechtigung anzuerkennen, die einem anderen Arzt erteilte Ermächtigung zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung anzufechten – wenn – 1. – der Status des anfechtenden Vertragsarztes Vorrang vor demjenigen des durch den Verwaltungsakt begünstigten Arztes hat und – 2. – der Anfechtende im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen wie der Begünstigte anbietet.
Das Bundessozialgericht befasste sich in seinem Urteil vom 07.02.2007 – B 6 KA 8/06R – im Anschluss an die vorzitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erneut mit der defensiven Konkurrentenklage. In dem zu entscheidenden Fall wandte sich der klagende Arzt, der Inhaber eine Dialysegenehmigung ist, gegen die einem anderen Arzt erteilte gleiche Genehmigung. Das Bundessozialgericht verneinte, um das Ergebnis vorwegzunehmen, die Berechtigung des Klägers zur Anfechtung der dem anderen Arzt erteilten Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Dialyseleistungen.
Die Anfechtungsklage setzt, so das Bundessozialgericht, gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz voraus, dass eine Verletzung von Rechten des Klägers durch den angefochtenen Verwaltungsakt als möglich erscheint. Der Kläger ist nicht Adressat des von ihm angefochtenen Verwaltungsaktes. Auch werden sein rechtlicher Status und seine sonstigen Rechtsbeziehungen durch die Erteilung der Dialysegenehmigung an den anderen Arzt weder umgestaltet noch sonst unmittelbar rechtlich betroffen. Der Kläger begehrt vielmehr die Aufhebung eines dem anderen Arzt erteilten Verwaltungsaktes, durch welchem Letzterem erlaubt wurde, bestimmte Leistungen, die er auch selbst anbietet, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen und abzurechnen. Er kann durch den Verwaltungsakt nur mittelbar bzw. nur durch dessen wirtschaftliche Auswirkungen betroffen sein. Dies reicht, so das Bundessozialgericht, im Regelfall für eine rechtliche Betroffenheit und damit für die Annahme einer Anfechtungsbefugnis nicht aus, denn die Rechtsordnung gewährt bei der Ausübung beruflicher Tätigkeiten grundsätzlich keinen Schutz vor Konkurrenz (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17.08.2004, aaO, unter II. 3. a bb). Demgemäß haben Marktteilnehmer regelmäßig keinen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben, insbesondere nicht darauf, dass Konkurrenten vom Markt fernbleiben.
Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Kammerbeschluss vom 17.08.2004 eine Ausnahme für den Fall zugelassen, dass die dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden einschlägigen Regelungen drittschützende Wirkungen besitzen. Es hat die Frage des Drittschutzes bejaht im Verhältnis eines Zulassungsinhabers zu einem Krankenhausarzt, der auf der Rechtsgrundlage des § 116 SGB V in Verbindung mit § 31 a Zulassungsverordnung für Vertragsärzte eine Ermächtigung beanspruche bzw. erhalte; denn eine Ermächtigung, so das Bundesverfassungsgericht, dürfe einem Krankenhausarzt lediglich im Falle eines durch die zugelassenen Ärzte nicht gedeckten Bedarfs erteilt werden. Grundsätzlich bestehe ein Nachrang der Ermächtigung von Krankenhausärzten und damit ein Vorrang der zugelassenen Vertragsärzte. Für diese ergebe sich aus der Norm des § 116 Satz 2 SGB V eine drittschützende Wirkung.
Maßgebend für das Bundesverfassungsgericht ist mithin, dass Krankenhausärzten der Zugang zum System der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 116 Satz SGB V nur nachrangig im Falle noch nicht gedeckten Versorgungsbedarfs („soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die …… Krankenhausärzte nicht sichergestellt wird“) gewährt wird.
Mit dem Ergebnis, so das Bundesverfassungsgericht, dass bei dem Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis – neben der Voraussetzung, dass der anfechtende Vertragsarzt im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen wie der durch den Verwaltungsakt Begünstigte anbietet – für die Anerkennung der Berechtigung zur Anfechtung erforderlich ist, ist zugleich klargestellt, dass dafür weder die Verletzung nur wirtschaftlicher Interessen ausreicht noch die Verletzung von Rechtssätzen, die lediglich Reflexwirkungen haben, weil in ihnen der Einzelne allein aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit begünstigt wird. Vor diesem Hintergrund kann der Gesichtspunkt, dass infolge des vertragsärztlichen Vergütungssystems mit budgetierten Gesamtvergütungen Abrechnungsmöglichkeiten für weitere Ärzte die Verdienstmöglichkeiten der bereits vertragsärztlich Tätigen schmälern könnten, nicht für eine Berechtigung zur Anfechtung ausreichen.