Konkurrentenklage gegen Sonderbedarfszulassung

von Lieb Rechtsanwälte

  1. Vertragsärzte sind grundsätzlich berechtigt, die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung anzufechten.
  2. Eine Anfechtungsberechtigung setzt ein reales Konkurrenzverhältnis voraus, dessen Grundlagen der anfechtende Arzt darzulegen hat, wenn sie nicht offensichtlich sind.

BSG, Urteil vom 17.06.2009 – B 6 KA 38/08 R

In dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall erhob ein fachärztlich tätiger Internist Konkurrentenklage gegen die einem anderen fachärztlich tätigen Internisten erteilte Zulassung wegen Sonderbedarfs.

Aus den Gründen:

Unter welchen Voraussetzungen Vertragsärzte berechtigt sind, zugunsten anderer Ärzte ergangene Entscheidungen anzufechten, hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 07.02.2007 dargestellt (BSG vom 07.02.2007 – B 6 KA 8/06 R, GesR 2007, 369). Danach bestehen drei Voraussetzungen für die Anerkennung einer Drittanfechtungsberechtigung, nämlich (1) dass der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten, weiterhin, (2) dass dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt wird und ferner, (3) dass der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig ist. Letzteres ist der Fall, wenn die Einräumung des Status an den Konkurrenten vom Vorliegen eines Versorgungsbedarfs abhängt, der von den bereits zugelassenen Ärzten nicht abgedeckt wird.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 23.04.2009 – 1 BvR 3405/08 GesR 376, 2009, an die Rechtsprechung angeknüpft und ausgeführt, dass eine unter dem Aspekt der Berufsfreiheit nach Rechtsschutz verlangende Verwerfung der Konkurrenzverhältnisse dann in Frage steht, wenn den bereits zum Markt zugelassenen Leistungserbringern ein gesetzlicher Vorrang gegenüber auf den Markt drängenden Konkurrenten eingeräumt ist.

Die Voraussetzung, dass der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig sein muss, ist im Verhältnis von Sonderbedarfszulassungen zu bereits erteilten Zulassungen gegeben. Sonderbedarfszulassungen kommen nur in Planungsbereichen in Betracht, die wegen Überversorgung für weitere Zulassungen gesperrt sind, und sie dürfen nur ausnahmsweise erteilt werden, soweit dies zur Wahrung der Versorgungsqualität unerlässlich ist. Erforderlich ist mithin, dass das Leistungsangebot der bereits zugelassenen Ärzte für eine umfassende Versorgung der Versicherten nicht ausreicht und der Bewerber um die Sonderbedarfszulassung das verbliebene Versorgungsdefizit beseitigen oder lindern kann. Damit ist die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung nachrangig gegenüber der Versorgung durch die bereits zugelassenen Ärzte. Insofern unterscheidet sich die Bedarfsprüfung in ihren Grundzügen nicht von denjenigen bei der Ermächtigung gemäß § 116 SGB V.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss für die Anfechtungsberechtigung ein faktisches Konkurrenzverhältnis vorliegen, durch das plausibel wird, dass der bereits zugelassene Arzt eine nicht nur geringfügige Schmälerung seiner Erwerbsmöglichkeiten zu befürchten hat. Dies erfordert zunächst die Darlegung des anfechtenden Arztes, welche Leistungen er anbietet und wie viele Patienten und welcher prozentuale Anteil seiner Patienten aus dem Einzugsbereich des dem Konkurrenten zugedachten Praxissitzes kommen. Hat er dies substantiiert vorgetragen, obliegt es dem Zulassungsgremium seinerseits tätig zu werden und die erforderlichen weiteren Informationen über das voraussichtliche Leistungsspektrum und den voraussichtlichen Patientenkreis des Konkurrenten zu erheben. Näherer Darlegungen und Feststellungen zu den Leistungsspektren bedarf es dann nicht, wenn das Vorliegen ins Gewicht fallender Überschneidungen ohne weiteres auf der Hand liegt. Das ist etwa dann der Fall, wenn beide Ärzte in einem eng umgrenzenden Fachgebiet tätig sind oder den Schwerpunkt oder die selbe fakultative Weiterbildung oder besondere Fachkunde haben.

Quelle: GesR 2010,85

Hierzu auch unser Beitrag vom 16.12.2009 "Vertragsärztliche Zulassung Zweitpraxis: Niedergelassene Ärzte können Genehmigung fuer Praxisfiliale der Konkurrenz nicht anfechten".

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