Kompensiert die Umwandlung einer Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft den Wegfall der Zuschläge für Gemeinschaftspraxen?

von Lieb Rechtsanwälte

Der neue EBM sieht für Gemeinschaftspraxen ab 1. Januar 2008 keine Zuschläge mehr vor. In fach- und versorgungsbereichsübergreifenden Gemeinschaftspraxen kann dies durch eine mögliche mehrfache Abrechnung der Versicherten- bzw. Grundpauschalen unter Umständen kompensiert werden. Anders verhält es sich bei fachgleichen Gemeinschaftspraxen.

Der mit dem Wegfall der Zuschläge einhergehende Umsatzverlust lässt sich im Wege der Umwandlung der Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft nicht ausgleichen. Wird die Umwandlung formal korrekt vollzogen, bleibt der Abrechnungsvorteil aus oder ist nahezu zu vernachlässigen. Soll eine Umwandlung dennoch vollzogen werden, ist u. a. Folgendes zu beachten.

1.
Auch Praxisgemeinschaften unterliegen der Plausibilitätsprüfung. Mehr als 20 % Patientenidentität gelten bei versorgungsbereichsidentischen Praxen als Abrechnungsauffälligkeit. Sofern es sich um versorgungsbereichsübergreifende Praxen handelt, sind dies 30 %. Entlastend wirken Vertreterfälle, z. B., wenn der jeweils andere Arzt in Urlaub ist, Überweisungen zur Auftragsleistung und Notfälle. Vertretungen in Praxisgemeinschaften sind zulässig. Laut den Richtlinien der KBV und Kassenspitzenverbänden zur Abrechnungsprüfung wirken Vertreterscheine gemäß Muster 19 entlastend. Voraussetzung ist allerdings, dass tatsächlich ein Fall zulässiger Vertretung vorliegt, mithin der jeweils andere Arzt infolge Krankheit, Urlaub oder Fortbildung abwesend ist. Hingegen liegt kein Fall der zulässigen Vertretung vor, wenn ein Arzt der Praxisgemeinschaft nur vormittags und der andere Arzt nur nachmittags tätig ist. Nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts Baden‑Württemberg (Az.:L5Ka1920/91) handele es sich bei einer solchen Handhabung der Sprechstundenzeiten nicht um eine Praxisgemeinschaft, sondern um eine Gemeinschaftspraxis. Es liege insoweit eine Art wechselseitiger Dauervertretung vor. Solche Vertretungsfälle werden von der Honorierung gänzlich ausgeschlossen.

2.
Im Zuge der Umwandlung ist auch darauf zu achten, dass die Ärzte gegenüber den Patienten eindeutig und unaufgefordert darstellen, dass es sich um zwei getrennte Praxen handelt und eine Behandlung bei dem anderen Arzt nur in den echten Fällen der Verhinderung zulässig ist, mithin ein doppelte Inanspruchnahme ausscheidet.

3.
Vollziehen die Partner einer Gemeinschaftspraxis auf dem Papier die Umwandlung in eine Praxisgemeinschaft, ändern sie die Behandlungsabläufe jedoch nicht und unterrichten sie die Patienten nicht entsprechend, so liegt hierin ein Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten. Neben berufsrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen hat dies auch einen Honorarverlust zur Folge, wie das Bundessozialgericht (Az.: B 6 KA 76/04R) bereits festgestellt hat. Die Weiterführung der früheren Gemeinschaftspraxis in der rechtlichen Gestalt einer Praxisgemeinschaft darf, so das Bundessozialgericht, nicht dazu führen, dass den jeweiligen Ärzten der Praxisgemeinschaft zusammen mehr Honorar gezahlt wird, als beide Ärzte hätten erzielen können, wenn sie ihre vertragsärztliche Tätigkeit weiter in der Form der Gemeinschaftspraxis ausgeübt hätten.

4.
Überweisungen sind laut Bundesmantelvertrag in der Regel nur an den Arzt einer anderen Arztgruppe zulässig. Überweisungen an einen Vertragsarzt der selben Arztgruppe sind nur zulässig zur (1) Inanspruchnahme besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die vom behandelnden Vertragsarzt nicht erbracht werden, (2) Übernahme der Behandlung durch einen anderen Vertragsarzt bei Wechsel des Aufenthaltsortes des Versicherten, (3) Fortsetzung einer abgebrochenen Behandlung.

Fall 1 kann im Rahmen einer Praxisgemeinschaft allenfalls dann gegeben sein, wenn die fachgleichen Partner unterschiedliche Qualifikationen aufweisen und die patientenbezogene Indikation im Einzelfall die Spezialleistung des anderen Kollegen verlangt. Die beiden anderen Varianten sind zu vernachlässigen.

5. Ergebnis
Bei konsequenter Einhaltung der Vorgaben für eine Praxisgemeinschaft verbleiben im Regelfall lediglich die echten Fälle einer Verhinderung. Ein nennenswerter Abrechnungsvorteil ist somit nicht gegeben.

Zurück