Keine Strafbarkeit für die Einrichtung sog. „Fast Lanes“ an Flughäfen
von Lieb Rechtsanwälte
Ein Beitrag von RAin Yağmur Depboylu und Dipl.-Uni. Jur. Yasemin Sayar
Sie befinden sich am Flughafen und die Schlangen vor der Sicherheitskontrolle sind so lang, dass Ihnen droht, ihren Flug zu verpassen. Sie entdecken einen Mitarbeiter des Flughafens anhand seiner Bekleidung und sprechen ihn an. Sie fragen, ob er Ihnen nicht einen „Fast – Check – In“ ermöglichen könnte.
Der Mitarbeiter bejaht dies, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass Sie ihm 50€ hierfür bezahlen. Diesen Bestechungsversuch lehnen Sie ab. Daraufhin sagt der Flughafenmitarbeiter: „Entweder du machst das und ich bringe dich nach vorne und erspare dir 2,5 Stunden, oder du musst auf den guten Willen von anderen Leuten hoffen.“
Sie lehnen das Angebot endgültig ab und zeigen den Vorfall bei der Polizei an.
Hat sich der Flughafenmitarbeiter nun wegen versuchter Erpressung strafbar gemacht?
Mit einem solchen Fall hat sich das OLG Köln befasst. In seinem Urteil vom 11.06.2024 – 1 ORs 52/24 – stellt der Senat fest:
„Die Drohung mit einem Unterlassen kann eine Drohung mit einem empfindlichen Übel sein. Empfindlich ist das Übel nur dann, wenn seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren. Daran fehlt es, wenn von dem Bedrohten in seiner Lage erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält.“
Das OLG hat sich vorliegend mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen eine Drohung mit einem Unterlassen - vorliegend das Näherbringen an die Sicherheitskontrolle durch Umgehung der Warteschlange - eine Drohung mit einem empfindlichen Übel iSd. § 253 I, II StGB darstellt.
Der Flughafenmitarbeiter hatte dem Reisenden zwar in Aussicht gestellt, dass er ohne die Zahlung von 50 Euro länger warten müsste. Das OLG Köln entschied jedoch, dass diese Aussage keine „Drohung“ im rechtlichen Sinne darstellt.
Eine Drohung liegt nur dann vor, wenn die angedrohte Konsequenz (hier: lange Wartezeiten) so schwerwiegend ist, dass sie den Betroffenen gegen seinen Willen zu der vom Täter geforderten Handlung motiviert würde.
Hierbei sei es nicht ausreichend, wenn das angedrohte Übel lediglich als unangenehm empfunden wird. Vielmehr muss die Drohung so beschaffen sein, dass sie erheblichen psychischen Druck auf den Betroffenen ausübt und ihn dadurch gegen seinen Willen dazu bringt, das vom Täter verlangte Verhalten zu zeigen. Eine bloße Unannehmlichkeit erfüllt diesen Maßstab nicht.
Im vorliegenden Fall betonte das Gericht, dass sich der Reisende aus eigenem Antrieb und im Bewusstsein der üblichen Wartezeiten zum Flughafen begeben hatte. Die Möglichkeit, die Sicherheitskontrolle auch ohne bevorzugte Behandlung rechtzeitig zu passieren, bestand weiterhin. Zudem hätte gegebenenfalls die Hilfe anderer Personen in Anspruch genommen werden können, falls eine konkrete Gefahr bestand, den Flug zu verpassen.
In der Urteilsbegründung führte das OLG Köln aus, dass in solchen Situationen von der betroffenen Person erwartet werden kann, der Drohung in „besonnener Selbstbehauptung“ standzuhalten. Das bedeutet, dass die angedrohte Konsequenz nicht von solcher Intensität war, dass sie als „empfindliches Übel“ im Sinne des § 253 I, II StGB anzusehen wäre.
Eine Strafbarkeit wegen versuchter Erpressung kann demnach nicht angenommen werden.