EuGH zum Verbraucherwiderrufsrecht: Keine Kostenübernahme einer vollständig ausgeführten Dienstleistung bei fehlender Aufklärung über das Widerrufsrecht

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RAin Natalie Freiin von Beust

Der EuGH hat mit Urteil vom 17.05.2023 (Rechtssache C-97/22 I DC) entschieden, dass ein Unternehmen trotz voll erbrachter Leistung für seine Dienstleistung keine Vergütung oder Wertersatz erhält, wenn der Kunde den Vertrag widerruft und vorher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht aufgeklärt wurde.

In dem hiesigen Fall hatte ein Verbraucher mit einem Handwerksbetrieb einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses geschlossen. Das betreffende Unternehmen unterließ dabei die Unterrichtung über das dem Kunden zustehenden Widerrufsrecht, das dem Verbraucher grundsätzlich während vierzehn Tagen normativ zusteht, da es sich um einen Vertragsschluss außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmens (sog. „Haustürgeschäft“) handelte. Nach Abschluss der Erneuerungsarbeiten und entsprechender Rechnungsstellung durch den Handwerkerbetrieb weigerte sich der Kunde die vereinbarte Vergütung zu bezahlen und widerrief den Vertrag. Das in dem Fall zuständige nationale Landgericht sprach dem Unternehmen den Anspruch auf Vergütung ab, legte dem EuGH jedoch die Frage vor, ob nicht vor dem Hintergrund der ungerechtfertigten Bereicherung Wertersatz durch den Kunden zu leisten sei. Von dem EuGH zu klären war also, ob Art. 14 Abs. 5 der Verbraucherschutzrichtlinie (RL 2011/83) so auszulegen sei, dass der Verbraucher, der nach Vertragserfüllung widerruft, von jeglicher Kostentragung befreit ist, sofern das Unternehmen es unterlassen hat, ihn ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht zu belehren.

Nach Rechtsprechung des EuGH fallen für einen Verbraucher in einem solchen Fall entsprechend dem Sinn und Zweck der Verbraucherschutzrichtlinie keinerlei Kosten an, auch nicht in Form des Wertersatzes. Zwar steht dem Verbraucher grundsätzlich nur ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu, diese Frist beginnt aber erst dann, wenn das Unternehmen den Kunden ordentlich über sein Widerrufsrecht aufgeklärt hat. Die Frist wird ohne Aufklärung nicht in Lauf gesetzt, sondern verlängert sich vielmehr um ein Jahr. Das Unternehmen hat also dann das Verlustrisiko zu tragen, wenn es die Belehrung über das Widerrufsrecht versäumt. Dabei betont der EuGH mehrfach den Sinn und Zweck des Verbraucherschutzes, der nur erreicht werden kann, wenn der Verbraucher tatsächlich über sein Widerrufsrecht informiert wurde. Es würde dem Verbraucherschutz widersprechen und eine erhebliche Gefahr für das hohe Niveau des Verbraucherschutzes darstellen, wenn für einen Verbraucher Kosten entstehen, obwohl er über die ihm zustehenden Rechte nicht ordnungsgemäß und umfassend aufgeklärt worden ist. Auch der Rechtsgedanke der ungerechtfertigten Bereicherung durch den Verbraucher wird im vorliegenden Fall bei unterlassener Aufklärung über Verbraucherschutzrechte von dem Verbraucherschutz überschattet. Der EuGH hat also mit vorliegendem Urteil erneut das Widerrufsrecht der Verbraucher gestärkt.

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