Keine Insolvenz wegen Corona – wie geht es weiter?

von Lieb Redaktion

Ein aktueller Beitrag von RAin Nicola Kastner-Hippel

Das am 25.03.2020 im Bundestag beschlossene Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVInsAG) wurde am 25.03.2020 im Bundestag verabschiedet (wir berichteten). Es sieht u.a. eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zunächst 30.09.2020 vor. Im Gesetz vorgesehen ist eine Verlängerungsmöglichkeit durch Rechtsverordnung bis längstens 31.03.2021. Ob es zu einer Verlängerung kommen wird, steht zum momentanen Zeitpunkt noch nicht fest.

Dennoch machen sich die Verantwortlichen von Gesellschaften, die pandemiebedingt in eine finanzielle Schieflage geraten sind, Gedanken, wie es weitergehen könnte.
Eine Option, ein finanziell angeschlagenes Unternehmen zu sanieren, ist die gesetzlich geregelte Sanierung im Rahmen einer Eigenverwaltung.
Im Folgenden skizzieren wir die wesentlichen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Sanierung in Eigenverwaltung:

1. Allgemein

Gem. § 270 InsO ist ein Schuldner berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet.

Dies setzt voraus:

  • einen entsprechenden Antrag des Schuldners und
  • es sind keine Umstände bekannt, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird.

Vor der Entscheidung über den Antrag ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zur Äußerung zu geben, § 270 III InsO.

2. Situation zum Zeitpunkt der Antragstellung

Ist der Antrag eines Schuldners auf Eigenverwaltung nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen, dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, § 270 I 1 InsO.

--> Im Gegensatz zur „klassischen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung soll in der Eigenverwaltung die Verfügungsbefugnis bei dem Schuldner verbleiben.

Sofern der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt und die Eigenverwaltung beantragt hat, das Gericht jedoch die Voraussetzungen der Eigenverwaltung als nicht gegeben ansieht, hat es seine Bedenken dem Schuldner mitzuteilen und diesem Gelegenheit zu geben, den Eröffnungsantrag vor der Entscheidung über die Eröffnung zurückzunehmen, § 270a II InsO.

Drohende (also noch keine eingetretene) Zahlungsunfähigkeit liegt gem. § 18 II InsO vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist demgegenüber gegeben, wenn mindestens 10% der fälligen Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung sämtlicher liquider Mittel innerhalb der nächsten drei Wochen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht beglichen werden können.

Je nach Größe des Unternehmens muss ggf. ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt werden. Gem. § 22a I InsO hat das Insolvenzgericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen, wenn der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei folgenden Merkmale erfüllt hat:

  • mindestens 6.000.000 € Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrages im Sinne des § 268 III HGB
  • mindestens 12.000.000 € Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag
  • im Jahresdurchschnitt mindestens 50 Arbeitnehmer.

3. Insolvenzgeldvorfinanzierung

Eine Insolvenzgeldvorfinanzierung ist grds. auch in der Eigenverwaltung möglich.

4. Sonderform: Vorbereitung einer Sanierung gem. § 270b InsO („Schutzschirmverfahren“)

Wenn der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt hat und Eigenverwaltung beantragt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist, bestimmt das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplanes. Diese Frist darf höchstens drei Monate betragen, § 270 b I 1 und 2 InsO.

--> Der Schuldner hat mit diesem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist, § 270b II InsO.

Zu berücksichtigen ist, dass für diese Bescheinigung erhebliche Kosten anfallen können.
Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass der Antrag, nachdem die Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten sein, sondern lediglich drohen darf, frühzeitig gestellt werden muss.

  • Im vorläufigen Verfahren bzw. in der vorläufigen Eigenverwaltung wird der Sanierungsplan erstellt.
  • Die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung mit Frist zur Planerstellung ist aufzuheben, wenn die angestrebte Sanierung offensichtlich aussichtslos geworden ist, der vorläufige Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt oder dies von Gläubigern beantragt wird und die Umstände erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Ergänzend darf kein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt worden sein.
  • Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit im vorläufigen Verfahren ist dem Gericht unverzüglich anzuzeigen, § 270b IV 2 InsO.
  • Nach Einreichung des Planes kann ggf. das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet werden.

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