Kein Schadensersatz für Flugpassagiere wegen fehlender Nutzbarkeit von EasyPass
von Lieb Rechtsanwälte
Ein Beitrag von RAin Natalie Freiin von Beust
Mit Urteil vom 08.12.2022 (III ZR 204/21) hat der BGH entschieden, dass einem Flugpassagier kein Schadensersatzanspruch gegen einen Flughafenbetreiber zusteht, wenn der Passagier seinen Flug versäumt, weil er oder seine mitreisenden Familienmitglieder nicht die Voraussetzungen für die Nutzung der automatisierten Grenzkontrolle (EasyPass) erfüllen.
Die Beklagte des Verfahrens war die Betreiberin eines Großflughafens, der mit dem elektronischen Grenzkontrollsystem EasyPass ausgestattet ist. Die Beklagte wies auf ihrer Internetseite auf das EasyPass-System hin, allerdings nicht auf das Mindestalter für dessen Nutzung. EasyPass ist ein von der deutschen Bundespolizei betriebenes automatisiertes Grenzkontrollsystem für Reisende, die Inhaber eines elektronischen Reisepasses der EU, des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz mit einem Mindestalter von zwölf Jahren sind. Die Europäische Union fördert dieses neue Kontrollsystem als wichtigen Baustein des integrierten Grenzmanagements in Europa mit Mitteln aus dem Europäischen Außengrenzenfonds. Aktuell wird EasyPass an acht deutschen Flughafen, nämlich Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, München und Stuttgart, eingesetzt.
Kläger war ein Passagier, der für seine Ehefrau, seine zwei minderjährigen Kinder und sich einen Überseeflug gebucht hatte. Planmäßige Abflugzeit war um 12:15 Uhr. Um 10:07 Uhr des Abflugtages gab der Kläger zusammen mit seiner Familie das Reisegepäck am Check-in-Schalter auf. Gegen 11:35 Uhr passierte der Kläger mit seiner Familie die Sicherheitskontrolle und begab sich zur elektronischen Passkontrolle. Nachdem die jüngste Tochter des Klägers jünger als zwölf Jahre war, konnte die Familie das EasyPass System für dieses Kind nicht nutzen und wurde deshalb an die mit Personal besetzten Durchgänge zur Passkontrolle verwiesen. Nachdem bei der Kontrolle eines anderen Passagiers ein Problem aufgetreten war, stand die Familie 20 Minuten in der Schlange und wartete auf die Passkontrolle. Der Kläger wies eine Mitarbeiterin mehrfach auf das drohende Verpassen seines Abfluges hin, wurde aber in der Warteschlage nicht vorgezogen. Folglich verpasste die Familie den Flug, da sie nach Durchlaufen der Sicherheits- und Passkontrollen das Abfluggate nicht mehr rechtzeitig erreichte.
Der Kläger erhob daraufhin Klage vor dem Amtsgericht in Höhe einer Forderung von 2.980,08 € (Kosten für den Erwerb eines Ersatztickets und zusätzlichen Hotel- und Fahrtkosten) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung blieb ohne Erfolg. Auch der BGH wies die vom Berufungsgericht zugelassene Revision mit folgender Begründung zurück: Die Organisation der Passkontrollen liegt nicht in dem Verantwortungsbereich der Flughafenbetriebsgesellschaft, sondern in den der Bundespolizei (§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 a BPolG). Der Flughafenbetreiber hat daher keine Einflussmöglichkeiten, insbesondere ist es ihm verwehrt, einzelne (verspätete) Reisende durch ein Vorziehen in der Pass-/Sicherheitskontrolle gegenüber rechtzeitig erschienenen Passagieren privilegiert zu behandeln. Offen gelassen wurde, ob zwischen der Flughafenbetreibergesellschaft und dem Kläger eine vertragliche Beziehung bestand, aus der etwaige Schadensersatzansprüche hergeleitet werden könnten.
Im Übrigen trug der BGH vor, aus dem Klägervortrag hätten sich keine Anhaltspunkte für eine unangemessene, auf einem Organisationsmangel beruhende Verzögerung der Passkontrolle erheben. Die Passkontrolle wurde laut Klägervortrag innerhalb von knapp 20 Minuten durchlaufen.
Insbesondere war der Beklagten auch keine Pflichtverletzung wegen fehlenden Hinweises des Mindestalters für die Nutzung von EasyPass auf ihrer Internetseite vorzuwerfen. Der Kläger hätte sich über die Nutzungsbedingungen, bspw. über die für EasyPass eingerichtete Internetseite der Bundespolizei, informieren müssen. Verzichtet ein Fluggast auf die Einplanung ausreichender Zeit, weil er EasyPass nutzen möchte, ohne sich rechtzeitig über dessen Modalitäten zu informieren, begibt er sich freiwillig in eine prekäre Situation, deren Folgen von ihm herbeigeführt und daher auch von ihm zu tragen sind. Der Kläger hätte zudem auch noch vor Ort die nötigen Informationen für eine Nutzung des automatisierten Grenzkontrollsystems einholen können, nachdem er sich bereits gegen 10:00 Uhr am Flughafen eingefunden hatte und der Abflug erst zwei Stunden später geplant war. Im Übrigen darf sich ein Flugpassagier nicht auf die ständige Betriebsbereitschaft der computergestützten elektronischen Grenzkontrolle verlassen und muss daher genügend Zeit für eine möglicherweise durch Personal durchgeführte Passkontrolle einplanen.