Kein Anspruch eines Eigentümers auf verschlossene und blickdichte Nachbarfenster

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RAin Christiane Pohl (FAin für Bau- und Architektenrecht)

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 18.06.2024, Az. 6 U 2481/24 ein Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth aufgehoben und die Klage eines Eigentümers gegen die Grundstücksnachbarn abgewiesen, in der der Eigentümer sich auf das in Art. 43 AGBGB geregelte nachbarrechtliche „Fensterrecht“ berief.

Die Grundstücke der Parteien grenzen aneinander und waren zunächst Teil eines größeren Grundstücks. Das Wohnhaus, in dem die Beklagten wohnen, wurde infolge einer Grundstücksteilung im Jahr 2000 zu einem Grenzbau. Mehrere Fenster und eine Balkonfenstertür der Wohnung der Beklagten haben einen weniger als 60 cm betragenden Abstand zur Grundstücksgrenze des Klägers.  Der Kläger verlangte von den beklagten Nachbarn die zu seinem Grundstück zugewandten Wohnraumfenster so umzubauen, dass ein Öffnen und ein Durchblicken bis zur Höhe von 1,80 m über dem Boden nicht möglich sind. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat der Klage mit Urteil vom 18.08.2022, Az. 14 O 6102/21 stattgegeben.

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Ausweislich der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 24.06.2024 Nr. 21/2024 sah das Oberlandesgericht Nürnberg die auf das „Fensterrecht“ gestützten Anspruchsvoraussetzungen zwar grundsätzlich als gegeben, erachtete die Durchsetzung des Anspruchs im konkreten Einzelfall in der Gesamtwürdigung aber als unbillige Härte. Das Oberlandesgericht sei unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten der Wohnung und in Abwägung der jeweiligen Interessen beider Seiten zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Kläger ein Berufen auf das nachbarliche „Fensterrecht“ im konkreten Fall verwehrt ist. Maßgeblich war laut der Pressemitteilung aus Sicht des Gerichts zum einen, dass bis zu 80 % der Fensterflächen von der blickdichten Gestaltung betroffen wären und eine ausreichende Licht- und Luftzufuhr der Wohnung bei Durchsetzung des Anspruchs nicht mehr gewährleistet wäre, zum anderen hat das Gericht berücksichtigt, dass bei einem dauerhaften Verschließen der Balkontür auch der notwendige zweite Fluchtweg nicht mehr gegeben wäre. In Gesamtbetrachtung der konkreten Umstände habe das Gericht die Ausübung des Fensterrechts daher als unzulässig erachtet.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision zum Bayerischen Obersten Landesgericht ist vom Berufungsgericht zugelassen worden.

Art. 43 AGBGB (Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs) lautet wie folgt:

Art. 43 Fensterrecht

(1) Sind Fenster weniger als 0,60 m von der Grenze eines Nachbargrundstücks entfernt, auf dem Gebäude errichtet sind oder das als Hofraum oder Hausgarten dient, so müssen sie auf Verlangen des Eigentümers dieses Grundstücks so eingerichtet werden, dass bis zur Höhe von 1,80 m über dem hinter ihnen befindlichen Boden weder das Öffnen noch das Durchblicken möglich ist. Die Entfernung wird von dem Fuß der Wand, in der sich das Fenster befindet, unterhalb der zunächst an der Grenze befindlichen Außenkante der Fensteröffnung ab gemessen.

(2) Den Fenstern stehen Lichtöffnungen jeder Art gleich.

Zurück