Kein Anscheinsbeweis für Zugang einer einfachen E-Mail

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RAin Christiane Pohl (FAin für Bau- und Architektenrecht)

Das OLG Rostock vertritt in seinem Hinweisbeschluss vom 03.04.2024, Az. 7 U 2/24 die Ansicht, dass ein Anscheinsbeweis für den Zugang einer abgesandten E-Mail nicht besteht.

Ausweislich der Gründe des Beschlusses sieht der Senat für die Annahme eines Anscheinsbeweises für den Zugang einer feststehendermaßen abgesandten einfachen, insbesondere ohne Empfangs- oder Lesebestätigung übermittelten E-Mail keine Grundlage. Die von der Klägerin in der Berufungsbegründung zitierte Entscheidung des AG Frankfurt a. M., Urteil vom 23.10.2008, Az. 30 C 730/08, die einen Anscheinsbeweis bejaht hat, sei vereinzelt geblieben und habe sich nicht durchgesetzt. Es entspreche in der Rechtsprechung sowie im Kommentarschrifttum nahezu einhelliger Auffassung, so das OLG Rostock, dass für den Zugang einer (im vorbezeichneten Sinne einfachen) E-Mail allein aufgrund des feststehenden Absendens, auch in Verbindung mit dem feststehenden Nichterhalt einer Unzustellbarkeitsnachricht auf Seiten des Absenders, kein Anscheinsbeweis streite.

Das OLG Rostock hält in seinem Beschluss es auch für richtig, dass, soweit die Klägerin zum Beweis des E-Mail-Zugangs bei der Beklagten auf eine Vorlage bzw. Offenlegung der gesamten elektronischen Posteingänge der Beklagten im hier interessierenden Zeitraum durch die Beklagte verweist, diesem Beweisantritt nicht vom erstinstanzlich zuständigen LG Schwerin nachgegangen wurde und sieht sich auch nicht veranlasst, dem Beweisantritt selbst nachzugehen. Nicht anders als in der „analogen“ Welt, in der ein Zugangsnachweis in einem Zivilprozess unstreitig nicht dadurch geführt werden könne, dass die Briefkästen oder gar Wohn- und Geschäftsräume des vermeintlichen Empfängers umfassend auf den in Rede stehenden Brief „durchforstet“ werden und der Prozessgegner diese Maßnahme zu dulden bzw. an ihr gar aktiv mitzuwirken hätte, könne laut OLG Rostock der Beweis des Zugangs einer E-Mail nicht dadurch erbracht werden, dass der vermeintliche Adressat selbst einen E-Mail-Account mit dem virtuellen Posteingangskorb und ggf.  weiteren Ablageordern („Gelöschte Elemente“ o. ä.) zu Beweiszwecken gleichsam zur Verfügung stellen müsste.

Ähnlich wie das OLG Rostock hat auch das OLG Hamm in seinem Beschluss vom 10.08.2023, Az. 26 W 13/23 entschieden. Nach Ansicht des OLG Hamm genügt es nicht, wenn der Absender lediglich die Absendung der E-Mail beweisen kann, da der betreffende Auszug keinen Beweiswert in Bezug auf den Zugang hat. Ausreichend wäre jedoch nach dem OLG Hamm die Vorlage einer Eingangs- und Lesebestätigung. Es treffe folgerichtig nach Ansicht des OLG Hamm den Versender die Obliegenheit, eine Lesebestätigung zum Beweis des Zugangs anzufordern.

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