Juniorpartnerschaft: Vertrag über eine zahnärztliche nicht gleichberechtigte Gemeinschaftspraxis

von Lieb Rechtsanwälte

Fall:

Ein in Einzelpraxis tätiger Zahnarzt schloss als Seniorpartner mit einem weiteren Zahnarzt (Juniorpartner) einen Vertrag über eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis. Er brachte seine gesamte Einzelpraxis als Sonderbetriebsvermögen in die Gemeinschaftspraxis ein, wobei die Benutzung aller zum Praxisbetrieb erforderlichen Gegenstände beiden Vertragspartner im gleichen Umfang zur Verfügung stand. Für den Fall, dass der Juniorpartner ohne Kapitalbeteiligung aus der Gesellschaft ausscheiden würde, sollte sich sein Abfindungsanspruch an seinem Jahresgewinnanteil orientieren. Nach dem Gesellschaftsvertrag hafteten die Vertragspartner im Außenverhältnis für alle Verbindlichkeiten der Gemeinschaftspraxis. Im Innenverhältnis stellte der Seniorpartner den Juniorpartner von allen vertraglichen Verbindlichkeiten frei. Des Weiteren verpflichtete sich der Seniorpartner bei Rechtsgeschäften mit einer höheren finanziellen Verpflichtung die persönliche Mithaftung des Juniorpartners auszuschließen. Nach dem Gesellschaftsvertrag waren die Vertragspartner im Rahmen der Praxisführung gleichberechtigt, aufgrund der Nichtbeteiligung des Juniorpartners am Gesellschaftskapital dieser aber im Rahmen der Geschäftsführung nicht gleichberechtigt. Wegen der fehlenden Kapitalbeteiligung erhielt der Juniorpartner als Gewinn einen Anteil in Höhe von 30 v. H. des Umsatzes aus den Einnahmen, die der Gemeinschaftspraxis aus den von ihm erbrachten zahnärztlichen Leistungen zugeflossen sind. An einem evtl. Verlust nahm der Juniorpartner nicht teil.

Entscheidung:

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg stufte in seinem Urteil vom 12.12.2014 ‑ Az.: L 4 R 1333/13 – diese Juniorpartnerschaft als abhängiges Beschäftigungs-verhältnis ein. Der Juniorpartner sei in die Betriebsorganisation des Seniorpartners eingegliedert gewesen. Dies ergebe sich daraus, dass er seine Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis ausübte, die Praxiseinrichtung und Material nutzte und mit dem dortigen Personal und dem Seniorpartner zusammenarbeitete. Dabei habe er auch Öffnungszeiten und Urlaub mit dem Seniorpartner und dem Personal abzusprechen gehabt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Juniorpartner im Rahmen seiner Tätigkeit als Zahnarzt keinen Weisungen unterlegen habe. Dies ergäbe sich bereits aus der Natur der Sache.

Ein gewichtiges Indiz gegen eine selbstständige Tätigkeit des Juniorpartners sei insbesondere, dass er kein wesentliches ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko getragen habe. Eigenes Kapital habe er nicht eingesetzt. Er sei an der Gemeinschaftspraxis nicht mit Kapital beteiligt gewesen. Die Einzelpraxis einschließlich des Patientenstamms seien im Eigentum und Sonderbetriebsvermögen des Seniorpartners verblieben, der dies der Gemeinschaftspraxis unentgeltlich zur Nutzung zur Verfügung gestellt habe. Der Juniorpartner habe kein wirtschaftliches Risiko getragen. Ihm war vielmehr aufgrund der von ihm an den Patienten verrichteten Tätigkeit eine Vergütung garantiert. Ein Unternehmerrisiko lasse sich auch nicht darauf stützen, dass der Juniorpartner sich ggf. Regressansprüchen ausgesetzt gesehen habe. Das Risiko von Degressionskürzungen und Budgetüberschreitungen sei ein Spezifikum, das jeden Arzt und Zahnarzt treffen könne. Das Risiko, nicht durchgehend arbeiten zu können, weil nicht genügend Patienten da seien, sei ein Risiko, das auch jeden Arbeitnehmer, der nur Zeitverträge bekomme oder auf Abruf arbeite oder nach Stunden bezahlt oder unständig Beschäftigter sei. Zum echten Unternehmerrisiko werde das Wagnis, kein Entgelt zu erzielen, deshalb regelmäßig erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen oder Entgelt aus der Arbeit erzielt werde, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen und/oder aber anfielen oder früher getätigte Investitionen brach lägen. Ein solches Unternehmerrisiko trug der Juniorpartner nicht.

Für eine selbstständige Tätigkeit des Juniorpartners und ein Unternehmerrisiko spreche auch nicht die Tatsache, dass er nach seinem Ausscheiden eine Abfindung erhalten habe. Diese resultierte aus für die Praxis rekrutierten Patienten, für die er entschädigt werden sollte. Sie entspreche im Grunde einer Provision, wie sie nicht unüblich ist.

Ein Unternehmerrisiko lasse sich auch nicht darauf stützen, dass der Juniorpartner seine Beiträge zur Krankenversicherung und evtl. auch Beiträge zum Versorgungswerk selbst zu tragen hatte.

Der Juniorpartner habe seine Dienste auch höchstpersönlich erbringen müssen, ohne diese delegieren zu dürfen.

Die Funktion des Seniorpartners als desjenigen, der allein über die Gemeinschaftspraxis bestimmt habe, habe sich auch darin gezeigt, dass der Juniorpartner aufgrund seiner Nichtbeteiligung am Gesellschaftskapital im Rahmen der Geschäftsführung nicht gleichberechtigt gewesen sei.

Hinweis:

Das Landessozialgericht hat alle klassischen Merkmale einer Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit detailliert geprüft. Bei vergleichbaren Konstellationen sollten vorhandene Verträge unverzüglich überprüft und neu gestaltet werden.

In dem Fall des Landessozialgerichts wurde lediglich darüber gestritten, ob der Seniorpartner für den Juniorpartner Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz sowie für das Insolvenzgeld nachzuentrichten hat.

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