Irreführende Steuerformulare

von Joachim Borger | Lieb.Rechtsanwälte

Das Finanzgericht Nürnberg hat die Finanzverwaltung mit Gerichtsbescheid vom 15.09.2022, Az. 7 K 914/21, zur nachträglichen Berücksichtigung von Aufwendungen für eine ausländische Rentenversicherung und entsprechender Änderung des betroffenen Einkommensteuerbescheides verurteilt. Grund dafür ist, dass der von der Finanzverwaltung dafür bereitgestellte Formularbogen irreführend gestaltet ist und der Steuerpflichtige deshalb nicht erkennen konnte, dass die ausländische Rentenversicherung darin anzugeben ist.

Sachverhalt:
Der Steuerpflichtige hatte zum damaligen Zeitpunkt keinen Steuerberater. Er erstellte seine Steuererklärung selbst. Dabei füllte er auch eine Anlage mit dem Titel „Vorsorgeaufwand“ aus. Darin wären die Aufwendungen für die ausländische Rentenversicherung aufzuführen gewesen. Der Steuerpflichtige versäumte diese Angabe, da ihm nicht klar wurde, dass diese Aufwendungen (dort) zur steuerlichen Berücksichtigung angegeben werden können. Das erfuhr erst später infolge der Konsultation eines Steuerberaters. Der Steuerpflichtige legte darauf hin Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid ein.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, der Steuerpflichtige könne die Berücksichtigung der ausländischen Rentenversicherung nachträglich nicht verlangen und half dem Einspruch nicht ab. Der Steuerpflichtige erhob darauf hin Klage vor dem Finanzgericht Nürnberg – mit Erfolg.

Entscheidungsgründe:
Die zentrale Streitfrage lautete: Trifft den Steuerpflichtigen grobes Verschulden daran, dass er die ausländische Rentenversicherung bei der Abgabe der Steuererklärung nicht angegeben hat?

Nein, sagt das Finanzgericht. Denn der Formularbogen „Vorsorgeaufwand“ hat den Eindruck vermittelt, dass nur inländische Rentenversicherungen abzugsfähig seien. Das Formular unterscheidet bei Formularfeldern zu Krankenversicherungen zwischen inländischen und ausländischen Sachverhalten. Beim Formularfeld für Rentenversicherungen erfolgt eine solche Unterscheidung gerade nicht. Dass dennoch auch ausländische Rentenversicherungen gemeint sind, ergibt sich lediglich aus einer Erläuterung in der Anleitung zur Anlage „Vorsorgeaufwand“, also aus einem anderen Dokument.

Zwar muss der Steuerpflichtige alle in Formularbögen gefragten Fragen beantworten und bei Unklarheiten nachforschen, was gemeint ist. Im vorliegenden Fall war dem Steuerpflichtigen jedoch kein Vorwurf zu machen, da das Formular „Vorsorgeaufwand“ aus Sicht eines durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Adressaten die Frage nach dem Vorliegen von Aufwendungen für ausländische Rentenversicherungen gar nicht erst aufwirft. Das Formular war auch nicht unklar, daher bestand auch kein Anlass zur Lektüre der Anleitung zum Formular. Steuerpflichtige müssen nicht jede Erläuterung zu Formularen der Finanzverwaltung lesen, ohne dass dazu konkreter Anlass besteht.

Dass im Einzelfall ausnahmsweise grobes Verschulden des Steuerpflichtigen vorliegt, wäre von der Finanzverwaltung zu beweisen, was hier nicht geschehen ist.

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