HOAI 2013: EU-Recht steht Aufstockungsklagen nicht entgegen

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RA Dr. Klaus Lieb, FA für Medizinrecht, FA für Handels- und Gesellschaftsrecht

Der Europäische Gerichtshof entschied am 18.01.2022 (Rechtssache C-261/20), dass bei einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen Unionsrecht einer Anwendung  der verbindlichen Mindestsätze der HOAI 2013 nicht entgegensteht. Das Urteil ist von weitreichender Bedeutung, da Architekten und Ingenieure bei Altverträgen weiterhin die Aufstockung ihres Honorars auf den Mindestsatz beanspruchen können, wenn das vereinbarte Honorar unterhalb der in der HOAI (2013) festgelegten Mindestsätze lag und damit den Regelungen des § 7 HOAI (2013) widersprach.

Der EuGH hatte mit Urteil vom 04.07.2019 (Rechtssache C-377/17) entschieden, dass die staatlich festgelegten Mindest- und Höchstsätze der HOAI wegen der nicht ordnungsgemäß erfolgten Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in nationales Recht europarechtswidrig sind. Der deutsche Gesetzgeber hat die HOAI mit Wirkung zum 01.01.2021 dementsprechend überarbeitet. Für Altverträge, die vor dem 01.01.2021 geschlossen wurden, gilt hingegen weiterhin die alte HOAI.

Unklar blieb, wie sich die Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 auf Altverträge auswirkt. Hierzu ergingen bislang divergierende Entscheidungen. So gestattete das OLG Hamm eine Aufstockung des Honorars, während das OLG Celle aufgrund der festgestellten Europarechtswidrigkeit der HOAI eine Aufstockung verneinte.

Mit der Entscheidung des EuGH vom 18.01.2022 ist nunmehr Rechtsklarheit geschaffen, was jedenfalls Altverträge zwischen Privatpersonen betrifft.

Jeder Architekt oder Ingenieur, der mit seinem Auftraggeber vor dem 01.01.2021 ein Honorar unterhalb der Mindestsätze der HOAI (2013) vereinbart hat, sollte prüfen, ob er sein Honorar durch ein Aufstockungsverlangen auf die verbindlichen Mindestsätze der HOAI verlangen kann.

Zur Anwendbarkeit des HOAI-Preisrechts in Altverträgen mit einem öffentlichen Auftraggeber hat sich der EuGH nicht geäußert. Würde man Planer bei einer Vergabe durch einen öffentlichen Auftraggeber von der Entscheidung des EuGH vom 18.01.2022 ausschließen, würden diese schlechter gestellt, als wenn der Vertragspartner ein privater Auftraggeber wäre. Dies ist sicher nicht gewollt.

Der EuGH weist in seiner Entscheidung auch auf die Möglichkeit hin, der durch die Unvereinbarkeit der staatlich festgelegten Mindest- und Höchstsätze der HOAI mit dem Unionsrecht geschädigten Partei, ggf. Schadensersatz vom deutschen Staat zu verlangen.

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