Hinauskündigungsklausel und Zeitgrenze; Bindung des Vertragsarztes

von Lieb Rechtsanwälte

Die Altgesellschafter einer ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft haben das Bedürfnis, die Aufnahme eines Partners wieder rückgängig zu machen, wenn die Zusammenarbeit sich nicht bewährt. Diesem Bedürfnis tragen sog. Hinauskündigungsklauseln Rechnung.

1.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Ausschließungsrecht durch Hinauskündigung ohne sachlichen Grund wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Ausnahmsweise wird jedoch ein zeitlich begrenztes Hinauskündigungsrecht für wirksam erachtet, wenn es aufgrund besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt ist. Die Notwendigkeit, den Altgesellschaftern binnen einer angemessenen Frist die Prüfung zu ermöglichen, ob zu dem neuen Partner das notwendige Vertrauen hergestellt werden kann und ob die Gesellschafter auf Dauer in ihrer für die gemeinsame Berufsausübung erforderlichen Weise harmonisieren können, anerkennt der BGH als sachlichen Grund. Mithin ist nach der Rechtsprechung des BGH die Erprobung eines Juniorpartners in einer ärztlichen Berufausübungsgemeinschaft grundsätzlich statthaft.

Welcher zeitliche Rahmen für die Hinauskündbarkeit eines Neugesellschafters zulässig ist, hängt vom Einzelfall ab. In der „Laborärzte-Entscheidung“ vom 08.03.2004 (Aktenzeichen: II ZR 165/02) versagte der BGH einer Klausel, mit der die Hinauskündbarkeit eines Juniorpartners in den ersten zehn Jahren seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft geregelt war, die Anerkennung. In der Entscheidung vom 07.05.2007 – Aktenzeichen: II ZR 281/05 – stellte der BGH fest, dass bei einer im Jahr 2000 nach dem zu dieser Zeit gültigen Zulassungsrecht gegründeten ärztlichen Gemeinschaftspraxis die höchst zulässige Frist, innerhalb derer der aufnehmende Vertragsarzt prüfen könne, ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem eintretenden Vertragsarzt auf Dauer möglich sei, drei Jahre betrage.

2.
Es wäre allerdings verfehlt, aus dieser Rechtsprechung allgemein ableiten zu wollen, dass jegliche Hinauskündigungsklauseln mit einer Höchstfrist von drei Jahren wirksam seien. Der BGH hat nämlich in seinem Urteil vom 07.05.2007 ausdrücklich festgestellt, dass bei der Bemessung der Frist die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen des Vertragsarztrechts zu beachten sind. Angesichts der vor dem 01.01.2007 geltenden eng beschränkten Möglichkeiten einer Tätigkeit als angestellter Arzt ist davon auszugehen, dass heute ein Hinauskündigungsrecht von drei Jahren zu lange erscheint. Die Vertragsparteien tun gut daran, die Möglichkeit der Hinauskündigung eines Juniorpartners mit zwei Jahren anzusetzen, wenn sie auf der sicheren Seite sein wollen.

3.
Der Vertragsarztsitz stellt einen erheblichen wirtschaftlichen Faktor dar. Hinauskündigungsklauseln werden deshalb auch als Sicherungsinstrument für den Vertragsarztsitz eingesetzt.

Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteilen vom 22.07.2002 – Aktenzeichen: II ZR 90/01 – und – II ZR 265/00 – entschieden, dass eine gesellschaftsvertragliche Regelung, die dem neu eintretenden Vertragsarzt für den Fall, dass er freiwillig aus der Berufsausübungsgemeinschaft ausscheidet, die Pflicht auferlegt, auf seine Zulassung als Vertragsarzt zugunsten der Berufsausübungsgemeinschaft zu verzichten, grundsätzlich zulässig ist. Der BGH hat das Sicherungsinstrument jedoch stark eingeschränkt. Die Pflicht des Verzichts auf die Zulassung verstößt, so der BGH, nur dann nicht gegen § 138 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG, wenn der Ausscheidende wegen der relativ kurzen Zeit seiner Mitarbeit die Berufsausübungsgemeinschaft noch nicht entscheidend mit prägen konnte. Die Kriterien „kurze Zeit“ und „Prägung“ sind allerdings nicht die einzigen Beurteilungskriterien. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtschau aller Umstände im jeweiligen Einzelfall.

Auch hier wird eine Bindung eines Gesellschafters nur für einen kürzeren Zeitraum als drei Jahre rechtswirksam sein.

Siehe auch Heller/Kanter in GesR 7/2009 S. 346 ff

Zurück