Hinauskündigungsklausel in einem Gemeinschaftspraxisvertrag
von Lieb Rechtsanwälte
Nach einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshof beträgt die höchstzulässige Frist, innerhalb derer der aufnehmende Vertragsarzt prüfen kann, ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem eintretenden Vertragsarzt auf Dauer möglich ist, maximal drei Jahre. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Regelungen in Personengesellschaften, die einem Gesellschafter oder der Gesellschaftermehrheit das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen („Hinauskündigungsklausel“), grundsätzlich wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig (so BGH, Urteil vom 08.03.2004 – II ZR 165/02 und Urteil vom 07.05.2007 – II ZR 281/05). Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht ausnahmslos. Der Bundesgerichtshof hat in den beiden genannten Urteilen entschieden, dass auch bei der Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine seit Jahren bestehende Sozietät von Freiberuflern Gründe vorliegen können, die es nach Abwägung der beiderseits beteiligten Interessen als gerechtfertigt erscheinen lassen, dass die Altgesellschafter auch ohne Vorhandensein eines in der Person des anderen Teils liegenden wichtigen Grundes dessen Gesellschafterstelle einseitig beenden (Stichwort: „Damoklesschwert“). Dies gilt erst recht, wenn es sich bei dieser Sozietät um einen Zusammenschluss von Ärzten handelt, die regelmäßig auf ihre Zulassung als Kassenärzte angewiesen und in dieser Eigenschaft besonderen öffentlich-rechtlichen Beschränkungen bei der Gestaltung ihres beruflichen Zusammenwirkens ausgesetzt sind. Unter diesem Gesichtspunkt kann es nicht von vornherein als sittenwidrig angesehen werden, wenn den Altgesellschaftern für eine angemessene Prüfungszeit das Recht eingeräumt wird, die Neugesellschafter auszuschließen, auch wenn keine Gründe vorliegen, die es den Altgesellschaftern unzumutbar machen, das Gesellschaftsverhältnis fortzusetzen. Der Bundesgerichtshof hält nach seinem Urteil vom 07.05.2007 eine Prüfungszeit bis zu drei Jahren für angemessen. In dem zu entscheidenden Fall betrug die Prüfungszeit mehr als zehn Jahre. Sie war damit unangemessen lang und damit sittenwidrig und nichtig.
Die überlange Dauer der in der Kombination von Kündigungs- und Übernahmerecht als Hinauskündigung wirkende Vertragsklausel hat nach dem Urteil vom 07.05.2007 nicht den Wegfall der Regelung zur Folge. Vielmehr kann – Gleiches gilt bei überlangen Wettbewerbsverboten – das Hinauskündigungsrecht für eine kürzere Zeit rechtlich anerkannt werden.