Haftungsrecht: Der mündliche Rat zur weiteren fachärztlichen Behandlung reicht in der Regel aus, sofern er in der Patientenakte eindeutig dokumentiert wird.

von Lieb Rechtsanwälte

Das entschied das Oberlandesgericht Koblenz (Az.: 5 U 66/15). In dem Streitfall hatte der Hausarzt bei dem Patienten einen erhöhten PSA-Wert von 10,0 ng/ml  festgestellt. Er empfahl mündlich dem Patienten, zeitnah einen Urologen zu konsultieren. Eine Überweisung an die fachärztliche Behandlung durch einen Urologen stellte er nicht aus. Zunächst fand keine Kontrolluntersuchung durch einen Urologen statt. Weitere neun Monate später wurde bei dem Patienten ein Karzinom festgestellt. Der Patient legte dem Hausarzt zur Last, keinen Überweisungsschein ausgestellt zu haben und für die verspätete Feststellung des Karzinoms zu haften.

 

Dem Oberlandesgericht genügte der mündliche Rat des Hausarztes, zeitnah einen Urologen zu konsultieren. Die fehlende Überweisung an die fachärztliche Behandlung durch einen Urologen sei haftungsrechtlich unbeachtlich. Zweck des Bundesmantelvertrages, der eine schriftliche Überweisung im GKV-Bereich regelt, sei es, einheitliche Vorgaben für die vertragsärztliche Versorgung zu schaffen. Für die haftungsrechtliche Beurteilung sei die sozialrechtliche Regelung irrelevant. Allein entscheidend sei, ob der Arzt den Patienten zur Weiterbehandlung an einen Facharzt verweist, ob dies schriftlich oder mündlich geschieht, sei unerheblich. In der Praxis komme es häufig vor, dass Patienten Fachärzte ohne Überweisung aufsuchen. Damit sei dem Fehlen eines Überweisungsscheins keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen. Maßgeblich sei die ärztliche Dokumentation. Dieser sei, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BGH, immer dann Glauben zu schenken, wenn nicht Hinweise auf Fehler oder Veränderungen vorlägen.

 

Hinweis:

Liegt bei dem Patienten eine fehlende Compliance vor oder hat er in der Vergangenheit bereits Behandlungsmaßnahmen verweigert, reicht wohl die bloße mündliche Überweisung nicht aus.

 

Quelle: Ärzte-Zeitung 2.12.2015

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