Haftet der niedergelassene Arzt für Fehler seines Vertreters im Notfalldienst?
von Lieb Rechtsanwälte
Mit dieser Frage hatte sich der BGH vor nicht allzu langer Zeit zu befassen. In dem streitgegenständlichen Fall hatte die Frau des verstorbenen Mannes die später verklagte Gemeinschaftspraxis angerufen, weil ihr Mann unter Schmerzen im Oberkörper litt. Die Praxis war zum Notfalldienst eingeteilt worden, ließ sich jedoch vertreten. Dementsprechend verwies ein Anrufbeantworter die Frau auf die Nummer des Dienstes. Der hierauf erschienene Notfalldienstarzt diagnostizierte eine Gastroenteritis und verabreichte ein Medikament. Am nächsten Tag erlitt der Patient einen tödlichen Herzinfarkt. Die Familie verklagte hierauf die zwei Ärzte der Gemeinschaftspraxis und den Notfallarzt auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Gemeinschaftsärzte müssten für den Fehler des Notfalldienstvertreter haften. Dieser habe als Gehilfe für sie gehandelt. Für die Stellung eines Gehilfen spreche, dass auf dem von dem Notfalldienstvertreter ausgestellten Rezept sich der Stempel der Gemeinschaftspraxis befunden habe. Auch habe die Praxis die Leistungen des Notfalldienstes gegenüber der KV abgerechnet. Seitens der Gemeinschaftsärzte wurde eingewandt, dass sie mit dem Vertreter praktisch keinen persönlichen Kontakt besessen hätten. Der Vertreter sei über eine Liste, die die KV zusammenstelle und überwache, für die Vertretung zuständig gewesen. Die vertragsärztlichen Leistungen seien nur aus Gründen der Praktikabilität über die Praxis abgerechnet worden. Das Oberlandesgericht Köln wies die Klage gegen die Gemeinschaftsärzte ab. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und wies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Seitens des Oberlandesgerichts müsse geklärt werden, inwieweit die Praxis auf die Auswahl des Vertreters Einfluss gehabt habe und ob ihr dabei ein vorwerfbarer Fehler unterlaufen sei. Von den Feststellungen hänge es ab, ob der Notfalldienstvertreter als Gehilfe eines Arztes gelte.
Hinweis: Eine Haftung für den Notfalldienstvertreter kommt nicht in Betracht, wenn der Arzt auf die Auswahl seines Vertreters keinen Einfluss nehmen kann, also wenn die KV die Liste der Bereitschaftsärzte alleine aufstellt und überwacht.
Quelle: Medical Tribune, 44.Jahrgang, Nr.12., 20.03.2009 zu BGH vom 10.03.2009 VI ZR 39/08