GKV: Praxis des Stückelns, Abrechnungsbetrug?

von Lieb Rechtsanwälte

1. Sachverhalt

Laut der Pressemitteilung von report MÜNCHEN vom 06.07.2009 geben Apotheker beim umsatzstarken Markenmedikament Omeprazol statt der oft verschriebenen Großpackung an Patienten häufig mehrere kleine Packungen mit der gleichen Tablettenstückzahl ab, weil sie diese von pharmazeutischen Herstellern wesentlich preisgünstiger bekommen. Mit der Krankenkasse wird aber in der Folge häufig die teure Großpackung abgerechnet. Den so erzielten Preisvorteil geben die Apotheker nicht an die Krankenkassen weiter. Sie machen damit einen Profit, der ihnen durch den gesetzlich geregelten Apothekerzuschlag normalerweise nicht zusteht.

2. Rechtslage

2.1. Nach § 9 der Arzneimittelpreisverordnung sind bei Fertigarzneimitteln auf der Verschreibung u. a. der Apothekenabgabepreis anzugeben. § 3 der Arzneimittel-Preisverordnung regelt verbindlich die Apothekenzuschläge für Fertigarzneimittel.

Nach der Apothekenbetriebsordnung müssen die abgegebenen Arzneimittel der Verschreibung und den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches entsprechen. Es darf nur das verordnete oder das nach dem Rahmenvertrag zu substituierende Arzneimittel abgegeben werden. Dokumentiert wird die richtige Abgabe durch den Aufdruck der Pharmazentralnummer (PZN) des abgegebenen Arzneimittels.

Der Arzneimittelversorgungsvertrag Bayern zwischen dem Bayer. Apothekerverband einerseits und der AOK Bayern sowie weiteren Landesverbänden regelt unter § 3 detailliert, wie die Abgabe von Arzneimitteln zu erfolgen hat. Im Besonderen werden auch Abweichungen bei Mengen und Packungsgrößen behandelt. Unter § 3 Nr. 18 lit. e ist der Fall geregelt, dass der Vertragsarzt mehrere Packungen eines Fertigarzneimittels unter Verwendung einer Kurzbezeichnung (z. B. 2 x N2) verordnet. In diesem Fall hat der Apotheker die nächstgrößere Packung des Fertigarzneimittels abzugeben, wenn bei namentlich bezeichneten Fertigarzneimitteln die Summe der verordneten Packungsmengen der Menge der nächstgrößeren Packungsgröße entspricht.

Hieraus könnte abgeleitet werden, dass dem Apotheker auch der umgekehrte Weg gestattet sein müsste. Diese Substitution dürfte trotz fehlender ausdrücklicher Regelung im Analogschluss zu bejahen sein. Voraussetzung ist allerdings, dass auch im Falle der Abgabe mehrerer Packungen statt der größeren Packungsgröße bei gleicher Menge das Fertigarzneimittel unter Beachtung der Arzneimittelpreisverordnung und der Apothekenbetriebsordnung abgerechnet wird.

2.2. Nach § 78 Abs. 3 AMG hat der pharmazeutische Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen. In Verbindung mit den Handelszuschlägen, die in der Arzneimittelpreisverordnung festgelegt sind, ergibt sich hieraus ein einheitlicher, bei der Abgabe verbindlicher Apothekenverkaufspreis. Infolge der Gesetzesänderung sind Geld- und/oder Barrabatte zwischen pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern bzw. zwischen pharmazeutischen Unternehmen und Apotheken unzulässig.

Aus der Pressemitteilung ergibt sich nicht, ob pharmazeutische Unternehmen und Großhändler an der dort beschriebenen Stückelung mitwirken. Wäre das der Fall, läge ein Verstoß gegen § 78 AMG vor.

Zu denken ist auch an einen Verstoß gegen § 7 des Heilmittelgesetzes sowie an einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

2.3. Führt die in dem Bericht beschriebene Stückelung zu zusätzlichen Gewinnen seitens der Apotheker, liegt strafrechtlich auch ein Abrechnungsbetrug zulasten der gesetzlichen Krankenkassen vor.

3. Ergebnis

Die unter Ziffer 1 beschriebene Stückelung lässt sich als rechtlich zulässig  nicht begründen. Ob im Einzelfall dem Apotheker die rechtswidrige Abgabe nachgewiesen werden kann, ist eine Beweisfrage.

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