Gewerbliche Ernährungsberatung in Arzpraxis ist nicht unbedingt wettbewerbsrechtlich unzulässig!

von Lieb Rechtsanwälte

Wie der BGH bereits mit Urteil vom 29.05.2008 (I ZR 75/05) entschieden hat, handelt ein Arzt, der in den Räumen seiner Praxis eine gewerbliche Ernährungsberatung durchführt, weder berufsrechtswidrig noch wettbewerbswidrig, sofern er diese Tätigkeit im Übrigen von seiner freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit in zeitlicher, organisatorischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht getrennt hält.

Geklagt hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V gegen die Beklagte, die über sogenannte Ernährungsberater ein spezielles Diät- und Ernährungsprogramm zur Gewichtsreduktion anbietet. In einem Internetauftritt von 2003 wandte sich die Beklagte an Ärzte und warb für die Vorteile eines "nachfrageorientiert agierenden Dienstleistungsunternehmens Arztpraxis". In ihren "Informationen zu Gewerbe und Recht" wurde darauf hingewiesen, dass das ärztliche Berufsrecht einer gewerblichen Tätigkeit nicht entgegen stehe, sofern die gewerbliche Ernährungsberatung und die freiberufliche ärztliche Tätigkeit organisatorisch, wirtschaftlich und rechtlich voneinander getrennt durchgeführt werden. Mit der Trennung sei insbesondere gemeint, dass die gewerbliche Tätigkeit außerhalb der Sprechstundenzeiten und Behandlungszeiten stattfinde. Darüber hinaus müssten Kassen, Bankkonten sowie Sach- und Arbeitsmittel von Gewerbe und Arztpraxis getrennt verwaltet werden. Es folgten zudem steuerrechtliche Hinweise. In einem zu Schulungen für Berater verwendeten Arbeitsblatt finden sich Hinweise zur optimalen örtlichen Trennung zwischen Arztpraxis und Gewerberaum.

Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen dieser Werbung ab, da nach ihrer Ansicht ein Arzt, der gewerbliche Ernährungsberatung in den Räumen seiner Praxis betreibt, gegen § 3 Abs. 2 und § 34 Abs. 5 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen (v. 2.9.1998 [HÄBl. 10/1998, S. I], zul. geänd. am 10.4.2007 [HÄBl. 5/2007, S. 325]; im Weiteren: BOÄ) verstößt. Die Beklagte veranlasse durch ihre Werbung Ärzte zu einem solchen berufs- und zugleich wettbewerbswidrigen Verhalten.

Dieser Auffassung schloss sich der BGH nicht an.

Die Beklagte hatte in der beanstandeten Werbung darauf hingewiesen, dass die gewerbliche Ernährungsberatung und die freiberufliche ärztliche Tätigkeit organisatorisch, wirtschaftlich und rechtlich voneinander getrennt durchgeführt werden müssen. Das Unterlassungsbegehren der Klägerin wendete sich jedoch lediglich dagegen, dass die Werbung der Beklagten nicht darüber hinaus auch eine räumliche Trennung der gewerblichen Ernährungsberatung von der Arztpraxis fordert. Der BGH stellte hierzu fest, dass die berufsrechtlichen Bestimmungen eine solche Trennung nicht erfordern.

Nach § 3 Abs. 2 BOÄ wird dem Arzt unter anderem untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit diese nicht wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind. Bei der Auslegung des maßgeblichen Begriffs des Zusammenhangs ist neben der hinter der Regelung stehenden Gemeinwohlerwägung auch das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG zu berücksichtigen. Regelungszweck des in § 3 Abs. 2 BOÄ normierten Verbots ist die Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes. Der Patient soll also darauf vertrauen können, dass sich der Arzt ausschließlich von medizinischen Notwendigkeiten und nicht von kommerziellen Interessen leiten lässt (u.a. BVerfG GRUR 2003, 966, 967 = WRP 2003, 1209 zur Werbung eines Zahnarztes im Internet; BGH GRUR 2005, 875, 876 - Diabetesteststreifen). Es soll somit gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vorgebeugt werden. Dies wiederum ist nur insoweit gerechtfertigt, als vernünftige Zwecke des Gemeinwohls dies erfordern und der seinen Beruf ausübende Arzt nicht übermäßig oder unzumutbar getroffen wird. (BVerfG NJW 1992, 2341). Das Verbot dient, so der BGH auch nicht dazu, unmittelbar bestehenden Gesundheitsgefahren zu begegnen, sondern lediglich langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung durch eine Kommerzialisierung des Arztberufs zu verhindern. Es ist daher grundsätzlich eine enge Auslegung des in § 3 Abs. 2 BOÄ enthaltenen Verbotstatbestands geboten (BGH GRUR 2005, 875, 876 - Diabetesteststreifen).

Ärzten ist eine gewerblich-unternehmerische Tätigkeit auf dem Gebiet des Heilwesens nicht grundsätzlich untersagt (BVerfGE 71, 183, 195, 196 = GRUR 1986, 387, 390; BGH, Urt. v. 26.4.1989 - I ZR 172/87, GRUR 1989, 601 = WRP 1989, 585 - Institutswerbung). Untersagt ist dies nur dann, wenn die Tätigkeit mit den ethischen Grundsätzen des ärztlichen Berufs unvereinbar ist. Auch ist dem Arzt die Hergabe seines Namens in Verbindung mit einer ärztlichen Berufsbezeichnung für gewerbliche Zwecke nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BOÄ nur dann verboten, wenn dies in unlauterer Weise geschieht. Aus diesem Grund ist die Klägerin auch nicht gegen das Geschäftsmodell an sich, sondern allein gegen dessen Durchführung in den Praxisräumen des jeweils mit eingebundenen Arztes vorgegangen. Dies wiederum wäre aber nur dann berufswidrig, wenn angenommen werden müsste, dass ausgerechnet von den in den Praxisräumen des Arztes stattfindenden Informationsveranstaltungen eine nicht gänzlich unerhebliche Wirkung in Richtung auf eine gesundheitspolitisch unerwünschte Kommerzialisierung des Arztberufs ausgehen würde. Dies konnte der BGH vorliegend nicht erkennen.

Die Beklagte wendet sich mit ihrem speziellen Diät- und Ernährungsprogramm zur Gewichtsreduktion an diejenigen, die mit Übergewicht zu kämpfen haben. Diesen ist nach Auffassung des BGH im Allgemeinen geläufig, dass Übergewicht zwar nicht stets krankhaft ist, eine Ernährungsberatung zur Gewichtsreduktion jeoch auch die insoweit gewonnenen medizinischen Erkenntnisse berücksichtigen sollte. Eine solche Beratung wird - zumal solches auch von Krankenkassen und Gesundheitsämtern durchgeführt wird - normalerweise als nicht ungewöhnlich und sinnvoll empfunden. Die betreffenden Personen werden die ärztliche Mitwirkung an dem angebotenen Diät- und Ernährungsprogramm daher nicht dahin gehend werten, dass sich die Ärzte nicht mehr in erster Linie an den gesundheitlichen Interessen ihrer Patienten, sondern an ökonomischen Erfolgskriterien ausrichten. Daran ändert auch eine Beratung durch den Arzt in dessen Praxisräumen nichts.

Die Klage war aus den genannten Gründen auch nicht nach § 34 Abs. 5 BOÄ begründet. Nach dieser Vorschrift ist es dem Arzt nicht gestattet, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen.

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