Gebot der persönlichen Anhörung

von Lieb Rechtsanwälte

Nach dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit muss der in Beweisnot befindliche Kläger (Patient) im Arzthaftungsprozess jedenfalls dann persönlich zu dem behaupteten Behandlungsfehler (hier: Hygienemangel bei einer intraartikulären Injektion) angehört werden, wenn das Gericht dem beklagten Arzt bei der Frage der Aufklärung eben diese Möglichkeit der Beweisführung eröffnet hat (OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.04.2010 in GesR 7/2010, Seiten 367, 368).

Entscheidungsgründe:

Der Kläger verlangte von dem Beklagten, einem niedergelassenen Orthopäden, Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden wegen angeblicher Aufklärungs- und Behandlungsfehler bei einer durchgeführten intraartikulären Injektion in sein ‑ später mit Staphylokokken infiziertes – rechtes Kniegelenk.

Das Erstgericht hatte sich allein aufgrund der persönlichen Anhörung des Arztes davon überzeugt, dass der Kläger vor der Injektion aufgeklärt und insbesondere auf das Infektionsrisiko hingewiesen wurde. Dies ließ das Oberlandesgericht nicht gelten. Um den Kläger verfahrensrechtlich nicht zu benachteiligen, wäre auch er zu den von ihm zu beweisenden Behauptungen anzuhören gewesen, wonach der Arzt bei der Behandlung die Spritze ohne jede Desinfektion ins Knie gesetzt habe.

In der Rechtsprechung, so das Oberlandesgericht, ist anerkannt, dass einer Partei, die im Unterschied zu ihrem Gegner keine Zeugen für ein Vieraugengespräch hat, Gelegenheit gegeben werden muss, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen. Zu diesem Zweck ist die Partei gemäß § 448 ZPO zu vernehmen oder gemäß § 141 ZPO anzuhören (vgl. BGH vom 27.09.2005 in NJW-RR 2006, 61/63 mit weiteren Nachweisen). Dies gilt auch dann, wenn das Gespräch allein zwischen den Parteien stattgefunden hat und deshalb kein Zeuge, auch kein gegnerischer Zeuge, zugegen war. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Besonderheiten des Arzthaftungsprozesses die persönliche Anhörung des Patienten nur bei der Frage des Entscheidungskonflikts (vgl. BGH vom 01.02.2005 in GesR 2005, 259) erforderlich machen. Denn nach dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit ist die persönliche Anhörung der in Beweisnot befindlichen Partei jedenfalls dann geboten, wenn das Gericht dem Gegner in einer anderen Frage eben diese Möglichkeit der Beweisführung eröffnet.

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