Fristlose Kündigung eines Gewerberaummietvertrages aufgrund des Jahrhunderthochwassers im Juli 2021

von Lieb Rechtsanwälte

Das LG Hagen hatte über die Wirksamkeit einer Klausel in einem Gewerbemietvertrag zu entscheiden, in der vereinbart war, dass das Mietverhältnis bei höherer Gewalt nicht erlischt, sondern nur die Pflicht des Mieters zur Zahlung der Miete endet (Urt. vom 08.02.2023 – 23 O 36/22)

Die Parteien hatten 2012 einen schriftlichen Mietvertrag über eine Ladenfläche im Erdgeschoss eines Einkaufszentrums abgeschlossen. Vertraglich war vereinbart, dass das Mietverhältnis in Fällen der Zerstörung durch höhere Gewalt nicht erlischt, sondern nur die Pflicht zur Zahlung der Miete endet. Für den Fall des Wiederaufbaus waren weitere Regelungen vorhanden; ansonsten existierte eine Kündigungsmöglichkeit nur für den Vermieter.

Die Mietfläche wurde aufgrund des Hochwassers am 14.07.2021 unbrauchbar. Die Sanierung war im Juni 2022 noch nicht beendet, weshalb die klagende Mieterin die außerordentliche fristlose Kündigung wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses erklärte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Mieträume fast elf Monate nicht zur Verfügung gestanden und eine Wiedereröffnung war nicht abzusehen. Von der beklagten Vermieterin war auch kein Fertigstellungstermin benannt worden.

Nach den Ausführungen der Klägerin im Verfahren war dieser die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar, da alleine die Entbindung von der Verpflichtung zur Mietzahlung ihre wirtschaftliche Lage nicht hinreichend ausgleichen würde.

Das LG hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass die fristlose Kündigung der Mieterin das Mietverhältnis beendet hat. Das Gericht sah die Kündigung als wirksam an gem. § 543 II Nr. 1 BGB. Der Klägerin sei die Mietsache seit 15.07.2021 vollständig entzogen gewesen. Eine Fristsetzung gem. § 543 III BGB erachtete das Gerichts als entbehrlich, nachdem die Vermieterin außergerichtlich und auch noch in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie sich nicht auf einen festen Termin einlassen werde, sofern sie ihn nicht verbindlich zusagen könne. Eine Fristsetzung durch die Klägerin hätte somit keinen Einfluss gehabt.

Die Klausel, nach der im Falle höherer Gewalt nicht das Mietverhältnis ende, sondern nur der Mieter nicht zur Mietzahlung verpflichtet sein sollte, sah das Gericht als unwirksam an. In dieser Klausel werde vom wesentlichen Grundgedanken der §§ 535ff BGB abgewichen, so dass sie eine unangemessene Benachteiligung enthalte, § 307 I 1, 2 Nr.1 BGB. Die beklagte Vermieterin verwendete diese Klausel in all ihren Mietverträgen. § 307 BGB ist auch auf Verträge unter Kaufleuten anwendbar, § 310 I BGB.

Das in § 542 II Nr. 1 BGB enthaltene Recht zur außerordentlichen Kündigung auch bei befristeten Mietverhältnissen werde, so das Gericht, so stark eingeschränkt, dass es mit den wesentlichen Grundgedanken des Mietrechts nicht vereinbar sei. Die Ersparnis der Mietzahlung alleine helfe dem Mieter nicht weiter, da er hiermit keinen Gewinn erzielen könne. Hierzu müsse er das Geschäft führen.

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