Falle: Mitunternehmerstellung in einer Gemeinschaftspraxis

von Lieb Rechtsanwälte

Erhält ein Gesellschafter eine von der Gewinnsituation abhängige, nur nach dem eigenen Umsatz bemessene Vergütung und ist er zudem von einer Teilhabe an den stillen Reserven der Gesellschaft ausgeschlossen, kann wegen des danach nur eingeschränkt bestehenden Mitunternehmerrisikos eine Mitunternehmerstellung nur bejaht werden, wenn eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative vorliegt. Hieran fehlt es, wenn zwar eine gemeinsame Geschäftsführungsbefugnis besteht, von dieser aber tatsächlich wesentliche Bereiche ausgenommen worden sind. Dies entschied der BFH mit Urteil vom 03.11.2015 – VIII R 63/13.

Aus dem Urteil:

Nach seiner ständiger Rechtsprechung, so der BFH, ist ein zivilrechtlicher Gesellschafter einer Personengesellschaft Mitunternehmer im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen oder einer wirtschaftlich vergleichbaren Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben kann und ein Mitunternehmerrisiko trägt. Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko wird im Regelfall durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts ermittelt. Die allseitige Beteiligung am laufenden Gewinn ist für die Annahme einer Mitunternehmerschaft grundsätzlich obligatorisch. Eine Beschränkung der Verlustbeteiligung ist indes unschädlich, denn auch der Kommanditist nimmt nur bis zur Höhe seiner Einlage am Verlust der Gesellschaft teil. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen. Ausreichend ist bereits die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschaftsrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die z. B. den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen. Die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. So kann z. B. ein geringeres Initiativrecht durch ein besonders stark ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko ausgeglichen werden. Weiter besaß die Ärztin nach dem Gesellschaftsvertrag keinen Zugriff auf die materiellen und die immateriellen Wirtschaftsgüter und der darin ruhenden stillen Reserven der Gesellschaft. Auch das Mitunternehmerrisiko der Ärztin war nach dem Gesellschaftsvertrag lediglich gering ausgeprägt. Demgegenüber bestand, so der BFH, keine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative. Zwar stand der Ärztin nach dem Gesellschaftsvertrag das Recht zu, die Geschäftsführung der Gemeinschaftspraxis gemeinschaftlich mit den anderen Gesellschaftern auszuüben. Indes waren von dieser gemeinsamen Geschäftsführung wesentliche Bereiche ausgenommen, wie der Bereich der Neuinvestitionen. Auch war die Ärztin von der Verfügung über die Konten der Praxis ausgeschlossen. Diese deutlich beschränkte Initiativbefugnis begründe keine wesentliche Mitunternehmerinitiative, mit der das Fehlen hinreichenden Mitunternehmerrisikos kompensiert werden könne.

Quelle: GesR 394/2016

 

Praxishinweis:

Der BFH ließ in seiner Entscheidung offen, ob die Ärztin zivilrechtlich als Gesellschafterin der Gemeinschaftspraxis anzusehen sei. Er verneinte jedenfalls die Stellung als Mitunternehmerin. Bei der Gestaltung eines Gesellschaftsvertrages ist neben den zivilrechtlichen Vorgaben auch der steuerrechtlichen Mitunternehmerstellung Rechnung zu tragen.

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