Fahrlässige Tötung durch Notarzt wegen Unterlassung einer Krankenhauseinweisung

von Lieb Rechtsanwälte

Wie das Landgericht Potsdam bereits mit Urteil vom 25.08.2008 - 27 Ns 96/07 entschieden hat, hat bei unklarer Diagnose ein Notarzt seinen Überlegungen die vital bedrohlichste Erkrankung zugrunde zu legen. Fahrlässig handelt auch derjenige Arzt, der einen Patienten bei unsicherer Diagnose nicht unter Annahme der vital bedrohlichsten Erkrankung in eine Spezialklinik einweist, wenn hierdurch der Tod des Patienten früher eintritt.

In dem vom Landgericht Potsdam entschiedenen Fall war ein Notarzt in die Wohnung der später Verstorbenen gerufen worden. Diese berichtete von Übelkeit, Rückenschmerzen und Schmerzen im linken Arm. Probleme mit dem Herz-Kreislauf-System habe sie bislang nicht gehabt. Sie sei kurz zuvor gestürzt. Der Notarzt führte die Beschwerden im Bereich der Brustwirbelsäule und des linken Arms auf die ihm geschilderten Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule sowie den berichteten Sturz zurück. Die Übelkeit erklärte er damit, dass die Geschädigte ihren Angaben zufolge am Vorabend ein Eis gegessen und sich hierdurch möglicherweise den Magen verdorben habe. In der Nacht des gleichen Tages verstarb die Geschädigte an den Folgen des in dieser Nacht erlittenen Herzinfarkts.

Aus den Gründen:

Das Landgericht Potsdam hielt es für erwiesen, dass der Notarzt den Tod der Geschädigten fahrlässig herbeigeführt habe. Angesichts der ihm geschilderten Symptome hätte der Notfallarzt die Möglichkeit eines Koronargeschehens in Erwägung ziehen müssen. Auch derjenige Arzt handle fahrlässig, der einen Patienten bei unsicherer Diagnose nicht unter Annahme der vital bedrohlichsten Erkrankung in eine Spezialklinik einweise und daher der Tod des Patienten früher eintrete. Der angeklagte Arzt habe die Rückenbeschwerden der Geschädigten auf den Sturz, deren Übelkeit und Erbrechen auf einen verdorbenen Magen und die Beschwerden in der Brustwirbelsäule und im linken Arm auf die ihm geschilderte Wirbelsäulenabnutzung zurückgeführt. Das gleichzeitige Auftreten von drei unterschiedlichen Ursachen sei zwar nie vollständig auszuschließen, jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Gerade der Notfallarzt müsse in einer solchen Situation die Möglichkeit im Auge behalten, dass die gleichzeitig aufgetretenen Beschwerden eine gemeinsame Ursache haben könnten. Angesichts dieser Unklarheit hätte der Arzt den Gedanken an ein Koronargeschehen nicht verwerfen dürfen.

Quelle: ZMGR 2009,257

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