Europa auf dem Weg zur digitalen Wirtschaft
von Lieb Rechtsanwälte
Ein Beitrag von RAin Natalie Freiin von Beust
Modernisierung der Zahlungsdienstleistungen und Öffnung von Finanzdienstleistungsdaten
Die Europäische Kommission hat am 28.06.2023 neue Vorschläge vorgelegt, um den Zahlungsverkehr und den Finanzsektor weiter in das digitale Zeitalter zu integrieren. Ziel ist es, den Verbraucherschutz aber auch den Wettbewerb bei elektronischen Zahlungen zu verbessern. Verbraucher sollen in die Lage versetzt werden, ihre Daten auf sichere Weise weiterzugeben, um ein bereiteres Spektrum verbesserter und günstigerer Finanzprodukte und -dienstleistungen zu erhalten.
Hintergrund der vorgeschlagenen Neuerungen ist die erhebliche Veränderung des Marktes für Zahlungsdienstleistungen in den letzten Jahren. Elektronische Zahlungen haben innerhalb der Europäischen Union stetig zugenommen und 2021 sogar einen Wert von 240 Billionen Euro erreicht. Vergleichbar betrug der Wert im Jahr 2017 lediglich 184,2 Billionen Euro. Es sind viele neue Anbieter unter Nutzung der digitalen Technologien gerade in der COVID-19 Pandemie in den Markt eingetreten und bieten vor allem Dienstleistungen des „offenen Bankwesens“ und damit den sicheren Finanzdatenaustausch zwischen Banken und Finanztechnologieunternehmen („FinTechs“) an. Damit einhergehend unterliegen vor allem Verbraucher größeren Gefahren und Risiken in Bezug auf Betrug und Datenmissbrauch. Gerade vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission zwei große Maßnahmenpakete vorgeschlagen: Die Überarbeitung der Zahlungsdiensterichtlinie und ein Legislativvorschlag über einen Rahmen für den Zugang von Finanzdaten.
Die derzeit geltende Zahlungsdiensterichtlinie soll modernisiert und zudem eine entsprechende Verordnung eingeführt werden. Ziel ist es den Zahlungsbetrug einzudämmen und aktiv zu bekämpfen, indem Zahlungsdienstleister betrugsbezogene Informationen austauschen und zudem die Vorschriften für Kundenauthentifizierung verschärft werden sollen. Auch sollen die Erstattungsrechte von Betrugsopfern ausgeweitet werden und ein System zur Überprüfung der Übereinstimmung der IBAN-Nummern der Zahlungsempfänger mit ihrem Kontonamen für alle Überweisungen eingeführt und verpflichtend werden. Zudem wird angestrebt, Verbraucher transparenter über etwaig anfallende Gebühren, zB. bei dem Abheben von Geld, zu informieren. Auch sollen die Wettbewerbsbedingungen zwischen Banken und Nichtbanken weiter angeglichen und die Funktionsweise des offenen Bankwesens verbessert werden, wobei die Kontrolle der Kunden über ihre Zahlungsdaten verstärkt werden soll, wodurch neuen innovativen Diensten der Markteintritt erleichtert wird. Ziel ist es auch, die Harmonisierung und Durchsetzung der europäischen Normen zu stärken, indem die europäischen Zahlungs- und Finanzleistungsregelungen in eine unmittelbar anwendbare Verordnung aufgenommen und die Bestimmungen über die Umsetzung und Sanktionen verschärft werden.
Mit dem Legislativvorschlag über einen Rahmen für den Zugang zu Finanzdaten sollen klare Rechte und Pflichten für den Austausch von Kundendaten im Finanzsektor über Zahlungskonten festgelegt werden. Es soll künftig ein Anrecht, aber keine Verpflichtung für Kunden bestehen, ihre Daten an Datennutzer (zB. FinTech-Unternehmen) weiterzugeben, um z.B. von kostengünstigeren und potentiell besser gesteuerten Finanz- und Informationsprodukten und Finanzdienstleistungen zu profitieren. Auch sollen Inhaber dieser Kundendaten diese Daten nur nach Zustimmung der Kunden an andere Datennutzer weitergeben können und zum Teil dazu auch verpflichtet werden, sofern die Kunden eingewilligt haben. Es sollen klare Haftungsregelungen bei Datenschutzverletzungen eingeführt und Streitbeilegungsmechanismen eingerichtet werden und zudem zusätzliche Anreize für Dateninhaber zur Einrichtung hochwertiger Schnittstellen für Datennutzer gesetzt werden. Verbraucher sollen von einer verbesserten persönlichen Finanzverwaltung und -beratung profitieren und Unternehmen durch transparentere Regelungen in ihren internen Prozessen unterstützt werden.
Dieses „Gesamtpaket“ soll im Rahmen der Strategie für ein digitales Finanzwesen der Europäischen Union aus dem Jahr 2020 sicherstellen, dass der Finanzsektor der Europäischen Union seinen Zweck erfüllt und sich an dem fortschreitenden digitalen Wandel und der damit verbundenen Chancen wie Risiken anpasst und weiterentwickelt.