EuGH kippt Mindest- und Höchstsätze für Architekten- und Ingenieurhonorare

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von Dr. Klaus Lieb

Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom 04.07.2019 –Az. C-377/17- den Schlussanträgen des Generalanwalts, siehe zu diesen unser Beitrag vom 16.04.2019 in Aktuelles, angeschlossen und die Regelungen der HOAI zu den Mindest- und Höchstsätzen für Planerhonorare für mit dem EU-Recht für unvereinbar erklärt. Die Bestimmungen, nach denen die Vergütung für Architekten und Ingenieurleistungen abhängig von den vorab einzuschätzen Baukosten in fest vorgegebenen Korrekturen liegen muss, verstoßen laut EuGH gegen die Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/123 EG).

Die Honorarordnung in ihrer jetzigen Form gilt mit der vom EuGH vorgenommenen Einschränkung  zu den unwirksamen Preisbestimmungen bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung weiterhin. Eine Anpassungsfrist für die Überarbeitung der HOAI besteht nicht. Ab sofort sind die Mindest und Höchstsätze der HOAI EU-rechtswidrig. Die Bundesrepublik muss nun eine unionsrechtskonforme Neuregelung schaffen. Große Teile der HOAI wie etwa die Leistungsphasen im Rahmen des Planungsprozesses mit den einzelnen Leistungsbildern, Regelungen zu den Nebenkosten und Zahlungen können beibehalten werden. Nach Auffassung der Bundesarchitektenkammer ist ausschließlich eine Modifikation dahingehend erforderlich, dass die Verpflichtung abgeschafft werden muss, Honorare zwischen den Mindest- und Höchstsätzen zu vereinbaren. Unterschreitungen, ebenso aber auch Überschreitungen sind damit zukünftig im Rahmen der Parteiautonomie zulässig.

Was bedeutet das für die Praxis?

  • Im Rahmen der Privatautonomie können sich Vertragspartner auch weiterhin darauf einigen, die Vergütung entsprechend der HOAI in der jetzigen Form festzulegen. In diesem Fall muss die Vergütungsvereinbarung ausdrücklich in den Vertrag aufgenommen werden.
  • Es ist, wie in der Praxis schon häufig der Fall, zu erwarten, dass die Vertragspartner künftig die mit der Entscheidung gegebenen neuen Spielräume nutzen und etwa ein Pauschalhonorar vereinbaren. Bei Vorliegen großvolumiger Planungsleistungen (Baukosten oberhalb von 25.000.000 Euro) ließ sich bereits bisher das Honorar frei vereinbaren. Denkbar sind auch aufwands-, leistungs- oder auch baukostenbezogene Honorarmodelle.
  • Soweit bestehende Verträge auf die HOAI verweisen, bleiben die Verträge wirksam. Die auf der Basis der HOAI vertraglich vereinbarten Honorare haben weiterhin ihre Gültigkeit. Der Planer kann sich gegenüber dem Bauherrn künftig nicht mehr nachträglich darauf berufen, dass das mit diesem vereinbarte Honorar den von der HOAI vorgegebenen Mindestsatz unterschreitet. Den Mindestsatz unterschreitende Honorarvereinbarungen haben im Regelfall Bestand.
  • Bei Vergütungsstreitigkeiten haben die Gerichte die EU-rechtwidrigen Preisregelungen der HOAI nicht mehr anzuwenden. Einer Vorlage im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH, wie zuletzt mehrfach geschehen, bedarf es nicht mehr.

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